Ein Beitrag von Christoph Minhoff
Was ist relevant? Worüber muss berichtet werden? Welche Kriterien gelten bei Massenmedien? Reichen fünf oder zehn Menschen, die sich zusammenrotten und lustige Forderungen auf bunte Plakate schreiben und sich irgendwo laut kreischend hinstellen, um abends mit ihrer Botschaft in den Nachrichten zu landen? „Sicher nicht!“, meinen Sie? „Leider doch“, sage ich! Vor allem dann, wenn sie das Lebensgefühl der Redaktion treffen. So beispielsweise die zwei selbsternannten Weltretter, die sich in den Eröffnungsrundgang der Internationalen Grünen Woche mogelten, dort laut umher schrien und anschließend auf einen Tiertransporter krabbelten. Der öffentlich-rechtliche Sender rbb, die Magazine „Spiegel“ und „Focus“, die Tageszeitungen „Die Welt“, die „Berliner Morgenpost“ und die „taz“, vor allem aber die Nachrichtenagentur dpa verhalfen einer nano-Truppe von Aktivisten zur Berühmtheit, weil sie deren Tun offenbar für ausreichend relevant hielten.
Nun haben diese Aktivsten der Aktion „Grüne Woche demaskieren“ auf ihrer Internetseite freudig und höhnisch Bilanz gezogen: Zitat: „Wer hätte gedacht, dass wir so ein vielfältiges, buntes und kreatives Programm auf die Beine stellen würden? Wir sicher nicht, als wir uns im Juli zum ersten Mal zusammengesetzt haben, um über Störaktionen auf der Grünen Woche zu reden. Wir, das war eine Gruppe von fünf bis zehn tierrechtlich/vegan aktiven Menschen aus Berlin, die sich größtenteils vorher gar nicht kannten. Am Ende der Planungsphase waren wir dann schon um die 30 Menschen.“
Noch einmal: „Fünf bis zehn aktive Menschen“! Bei jedem Metzger im entlegensten Winkel der Republik treffen sich morgens zwischen 9.00 und 10.00 Uhr mehr Kunden. Und erst die Massendemonstrationen der Fleischesser am Samstag an der Supermarkttheke oder die tägliche Versammlung vor hunderten Fans vor Berliner Currywurst-Buden! Alles Statements pro Fleisch. Da die aber friedlich sind, keine Plakate tragen oder laut schreien, repräsentiert diese Gruppe zwar 99 Prozent der Bevölkerung, doch diese Mehrheit ist in der Berichterstattung irrelevant. Ob sich jedenfalls die Fernseh-, Radio- und Blattmacher gefragt haben, von wie vielen Menschen die Bewegung „Grüne Woche demaskieren“ getragen wird? Offenbar nein. Und das ist ein massives, journalistisches Versäumnis. Wird da überhaupt noch sortiert, recherchiert und eingeordnet?
Meine Empfehlung deshalb für alle, die mal ins Fernsehen wollen: beim gemeinsamen „Mensch-ärger-Dich“-Spieleabend einfach mal ein paar Plakate bemalen, lustige Forderungen draufschreiben, auf dem heimischen PC-Drucker bunte Infoblätter drucken und in Kreuzberg verteilen. Dann bei rbb, dpa und taz anrufen. Ein Auftritt im gebührenfinanzierten Fernsehen und in den bundesdeutschen Leitmedien ist Ihnen sicher … das heißt, nur, wenn es gegen die „Wirtschaft“ im allgemeinen und gegen die „Ernährungswirtschaft“ im besonderen geht. Winken in die Kamera ist erlaubt!