Professor Nöhles Essensalltag
Manche Männer und Frauen haben ihn: einen schönen „body“. Es gibt auch ein einteiliges Kleidungsstück mit dem Namen „body“: dieses bedeckt große Teile des Körpers, teils mit, teils ohne Arme und Beine. Das gleiche für Babys heißt dann „Babybody“. Ein Body ist also nichts anderes als ein Körper. Und wie sieht das bei Lebensmitteln aus?
Lebensmittel bestehen auf der einen Seite aus Fetten, Eiweißen und Kohlenhydraten, auch „Makronährstoffe“ oder „macronutrients“ genannt. Diese Makronährstoffe kann man sehen und anfassen, sie wiegen etwas und sie liefern Energie. Darüber hinaus enthalten Lebensmittel „Mikronährstoffe“ oder „micronutrients“, das sind Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. Letztere sind nur im Milli- oder gar Mikrogrammbereich in Lebensmitteln enthalten, der Gewichtsanteil aller Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe zusammen liegt in den meisten Lebensmitteln unter einem Prozent. Der Körper eines Lebensmittels ergibt sich also aus den anwesenden Fetten, Eiweißen und Kohlenhydraten, daher nennt der Lebensmitteltechnologe sie „körpergebend“, also auf neudeutsch „bodygiver“.
Das war jetzt einfach.
Aber es gibt noch eine weitere körpergebende Substanz, die aber kein Nährstoff ist: Wasser. Der Körper einer Tasse Kaffee rekrutiert sich also im Wesentlichen, nämlich zu 98 Prozent, aus Wasser. Der Rest sind Spuren von Fetten und Fettbegleitstoffen, Kohlenhydraten inklusive des Koffeins und kaffeeeigener Säuren sowie zahlreichen Aromakomponenten, die beim Rösten entstehen, sowie kleinsten Mengen an Eiweißen und eben den Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen.
Auch Luft stellt begrenzt eine körpergebende Substanz dar, z. B. in aufgeschlagener Sahne. Luft wiegt zwar fast nichts, aber sie erhöht das Volumen der sichtbaren Inhaltsstoffe, in diesem Falle also das des Milchfettes aus der Sahne.
Wozu ist das wichtig?
Bei kalorien-, zucker- und fettreduzierten Lebensmitteln stellt sich immer wieder die alles entscheidende Frage: „Wenn ich den einen Inhaltsstoff entziehe – was füge ich statt dessen hinzu?“
Beispiel Halbfettmargarine. Normale Margarine enthält 80Prozent Fett und 20 Prozent Wasser und Spuren anderer Inhaltsstoffe. Wenn ich also jetzt die Hälfte des Fettes entziehe, dann liegt auch nur noch etwas mehr als die Hälfte auf meinem Teller, weil ich der Margarine ja den Körper (= Fett) entzogen habe. Ich muss also wieder einen bodygiver hinzufügen. Das könnten theoretisch sein: 40 Prozent Eiweiß, das ergäbe dann eine Art „Pflanzenkäse“. Oder 40 Prozent Zucker, das ergäbe dann eine Art „fettreichen Bonbon“. Oder eben Wasser. Durch die Zugabe von Wasser werden der Fett- und auch der Kaloriengehalt um die Hälfte reduziert. Soweit so gut. Aber jetzt tut sich ein neues Problem auf. Ein Produkt aus 40 Prozent Fett und 60 Prozent Wasser ist physikalisch nicht stabil, deshalb bedarf es mehrerer Emulgatoren und anderer wasserbindender Zusatzstoffe, damit die Emulsion nicht bricht. Doch auch das reicht noch nicht aus. Der hohe Wassergehalt begünstigt das Wachstum von Mikroorganismen. Folglich muss diese Halbfettmargarine mit Konservierungsstoffen stabilisiert werden. Steht alles auf der Zutatenliste. Technologisch ganz schön anspruchsvoll.
Noch ein Beispiel: „low carb Brot“. Zurzeit groß in Mode bei Verbrauchern, die weniger Kohlenhydrate verzehren möchten. Der Mehlgehalt des Brotes (enthält bekanntlich die Kohlenhydrate) wird reduziert, der body ist also zum Teil weg. Doch was jetzt wieder hinzu geben? Wasser ? Na, da merkt auch der Nicht-Bäcker, dass das nicht gut gehen kann. Das Brot würde auf der Stelle verschimmeln.
Also kommt Sojaeiweiß dazu. Das enthält sehr wenig „carbs“, gibt jede Menge body und hört sich auch nicht schlecht an. Dolle Kiste. Doch, oh Schreck, so ein Sojaeiweißprodukt enthält auch Fett……und so steigt der Fettgehalt eines „low carb Brotes“ auf lockere 10 bis 13 Prozent gegenüber einem normalen Brot mit einem Fettgehalt von nur ein bis zwei Prozent. (Ja, Sie lesen richtig, so ein klassisches Brot ist ein echt fettarmes Lebensmittel !). Letztlich wird der body „Kohlenhydrate“ ersetzt durch den body „Eiweiß + Fett“. Also auch nicht so einfach.
Vertragen Sie noch ein Beispiel? Zuckerreduzierte Marmelade. Hier wird z. B. die Hälfte des Zuckers ersetzt durch mehr Frucht (kostet natürlich mehr und die Früchte bringen darüber hinaus auch fruchteigenen Zucker mit) sowie durch Wasser. Ergänzt wird das Ganze durch Apfelpektin zwecks Gelierung und – wieder aus mikrobiologischen Gründen – durch den Konservierungsstoff Kaliumsorbat, denn so eine Art Fruchtzubereitung mit etwas Zucker würde ansonsten auch auf der Stelle verschimmeln, sowie das Glas geöffnet würde.
Also auch wieder ein Kompromiss.
Es führt nun mal kein Weg daran vorbei – wenn man einen Stoff reduzieren möchte, dann muss man ihn durch einen oder mehrere andere ersetzen. Deshalb heißt „zuckerreduziert“ oder „fettreduziert“ nicht automatisch auch „kalorienreduziert“. Es heißt eben nur, dass von einem bestimmten Stoff weniger drin ist.
Mir als Koch waren diese Tatsachen zwar bekannt, aber ich mußte beim lesen laut lachen. Der Text ist im selben Stil geschrieben den „Klaus“ aus der Sendung mit der Maus benutzt hat. Deshalb hab ich mir den Text in seiner Stimme vorgestellt, einfach köstlich!
Das einzige was im Text gefehlt hat war ein „klingt komisch, ist aber so!“.