Professor Nöhles Essensalltag
In den 70er Jahren, zu Zeiten von Mao Tse Tung, sagten wir immer „Jetzt kommt die gelbe Gefahr“ – gemeint waren die unzähligen Chinesen, die angeblich nichts zu verlieren hatten, alle in dunkelblauer Einheitskleidung mit der roten Mao-Bibel in der Hand. Aber sie kamen nicht.
Doch letztens war ich beim Discounter mit dem großen „L“ am Gemüsestand und sah eine Kiste mit Ingwer. Da stand doch tatsächlich auf dem Beistellschild „Ursprungsland China“. Und überhaupt, China ist inzwischen nach Frankreich und den USA der drittgrößte Handelspartner von Deutschland und der zweitgrößte Handelspartner der EU. Nicht nur Bügeleisen, Heckenscheren, Notebooks, Mobiltelefone, Schuhe, Kugelschreiber und Kochtöpfe kommen inzwischen aus China, nein, China ist doch tatsächlich der weltgrößte Exporteur von Fisch, Apfelsaft, Honig, Vitaminen und Zusatzstoffen wie Ascorbinsäure (Vitamin C), Zitronensäure und so weiter. Und woher kommen noch gleich die Erdbeeren in der deutschen Erdbeermarmelade auf dem deutschen Frühstückstisch? Richtig, immer öfter auch aus China.
Und woher der Knoblauch? Nein, nicht aus Italien und auch nicht aus der Türkei, sondern aus China.
Da ist sie also, die „Gelbe Gefahr“?
Viele Verbraucher meinen, alles, was aus China kommt, sei schlecht. Doch das stimmt nicht. Alle Lebensmittel, Futtermittel, Spielzeuge, Textilien usw., die in der EU in den Verkehr gelangen, müssen den EU-Rechtsvorschriften entsprechen. Egal, ob Garnelen aus Vietnam, Kakaobohnen aus Ghana, Rindfleisch aus Argentinien, Paprika aus Peru oder eben der Honig aus China – alles muss bezüglich Nämlichkeit, eventuellen Rückständen und Deklaration „unseren“ Vorschriften entsprechen und wird exakt so behandelt, wie inländische Erzeugnisse.
Und – wie wird das sichergestellt? Diese so genannten „Drittlandserzeugnisse“ kommen nicht „irgendwie“ nach Deutschland, sondern müssen zwangsweise über „EU-Grenzaußenstellen“ importiert werden. In Deutschland gibt es derer 17 Stück, das sind die internationalen Flughäfen und die Seehäfen von Hamburg, Bremen, Bremerhaven, Wilhelmshaven und Cuxhaven. Da muss alles durch. In den anderen Mitgliedstaaten der EU verhält es sich ähnlich: Marseille, Genua, Stockholm, Kopenhagen, Rotterdam, alles geht durch eines dieser Nadelöhre. Alle Waren werden an diesen Kontrollstellen entweder sofort kontrolliert – ggf. mit Probenahme und Analyse – oder sie werden abgefertigt und müssen unter Zollverschluss am Bestimmungsort vorgeführt werden und die dortige Überwachungsbehörde zieht eine Probe.
Natürlich herrscht in Drittländern nicht unbedingt das Umweltschutzniveau wie bei uns. Aber trotzdem müssen die von dort importierten Waren unseren Vorschriften entsprechen. Die Importeure nehmen daher eine erhöhte Sorgfaltspflicht gegenüber Drittlandsware wahr, ob nun Pistazien aus dem Iran, Feigen aus der Türkei oder Lachs aus Chile. Viele Weiterverarbeiter in der EU spezifizieren ihre Rohstoffe aus Drittländern wesentlich tiefer, entsenden zunehmend Auditoren in diese Länder oder führen verstärkte Wareneingangskontrollen vor Verarbeitung durch. Richtig ist, dass China seit Jahren an erster Stelle im EU-Schnellwarnsystem RASFF (Rapid Alert System Food and Feed) steht – aber der Handel mit China ist ja auch entsprechend intensiv. Jeder Inverkehrbringer ist verpflichtet, die Sicherheit der von ihm in den Verkehr gebrachten Lebensmittel zu garantieren, und für China sind sicherlich intensivere Kontrollen als für Waren z. B. aus Dänemark angebracht.
Und – warum ist das so und vor allem, warum war das nicht auch schon zu Mao’s Zeiten so?
Das Zauberwort heißt „Globalisierung“. China ist seit Januar 2000 Mitglied der WTO, der Welthandelsorganisation. Die verpflichtet ihre Mitglieder zu kontinuierlichen Senkungen von Import- und Exportzöllen und zur Absenkung von direkten und indirekten Subventionen. Zölle sind bekanntlich ein wirksames Mittel für Handelsbeschränkungen – und wenn die Zölle sinken, steigt der Handel und steigt der Wohlstand bei beiden Handelspartnern. Wie war das noch gleich? Ein Drittel des Gewinns der Volkswagen AG kommt aus China! Mercedes und BMW verzeichnen zweistellige Zuwachsraten wegen des Chinageschäftes! Die meisten Porsche Panamera werden in China abgesetzt! Der deutsche Maschinenbau, die deutsche Elektrotechnik und die deutsche Chemie boomen in China. Und Deutschland ist nur deshalb so gut durch die Finanzkrise gekommen und verzeichnet nur deshalb eine so geringe Arbeitslosigkeit, weil wir so viel und so profitabel – beiderseitig – mit China Handel treiben!
Aus der „Gelben Gefahr“ ist also eher die „Globale Chance“ für Deutschland geworden, die wir und die Chinesen profitabel nutzen – und zwar stets unter Einhaltung unserer Grenzwerte.
Nihao (Guten Tag)!