Professor Nöhles Essensalltag
Das sagen Kinder, wenn sie meist „Brausebonbons“ lutschen. Die beim Auflösen entstehende Kohlensäure bizzelt auf der Zunge (sagt der Hesse) und das macht die Kinder eben lustig.
O.k., in Ordnung soweit.
Doch es gibt noch jede Menge anderer saurer Lebensmittel: Essiggurken, eingelegte Paprika, „Mixed Pickles“ (= eingelegtes Gemüse), eingelegte Kürbisse, Silberzwiebeln und Sellerie, Mayonnaise, Senf, Ketchup – alles ist sauer. Und – machen diese Gurken jetzt lustig? Eher nicht – aber die Säure hat einen ganz anderen Hintergrund: sie macht die Lebensmittel nämlich sicher.
Why that?
Mikroorganismen und insbesondere die krankmachenden Salmonellen gedeihen nämlich am besten im pH-neutralen Bereich. Im sauren Milieu sterben sie ab. Daher haben die vorgenannten Sauerkonserven auch einen pH-Wert unter 4,2 – die Todeszone für Salmonellen. Es gibt zwei Möglichkeiten, diesen sauren Bereich mit Lebensmitteln zu erreichen. Man setzt Essig aktiv zu (wie bei den Sauerkonserven) oder man lässt das Lebensmittel fermentieren, wie z.B. beim Sauerkraut. Aus Zucker entsteht mit Hilfe von bestimmten, erwünschten Mikroorganismen (den Milchsäurebakterien) Milchsäure. So wird das Kraut (es handelt sich übrigens um Weißkohl) erstens sauer und zweitens mikrobiologisch stabil. Durch Fermentation gesäuerte Gemüse heißen deshalb auch Gärungsgemüse.
Es ist Ihnen sicherlich schon einmal aufgefallen, Sie können ein Glas Gurken geöffnet glatt bei Zimmertemperatur stehen lassen, und die Gurken (vom Essigwasser bedeckt) verderben nicht. Auch Ketchup können Sie (begrenzt) ungekühlt aufbewahren – dem Essig sei Dank!
Essig ist also nicht nur ein saures Lebensmittel, welches dem „sauer eingelegten“ Produkt einen ganz besonderen Geschmack verleiht, er wirkt auch als Konservierungsmittel – aber nicht als Zusatzstoff, sondern eben als Lebensmittelzutat. (Kleiner Exkurs: Essig ist nicht zu verwechseln mit Essigsäure. Diese ist ein Zusatzstoff, gekennzeichnet mit der E-Nummer 260.)
Auch ein klassischer, stark gesäuerter Joghurt (ohne Fruchtzugabe und nicht der „Joghurt mild“) und eine gut gesäuerte Dickmilch, ein Kefir, eine Kumys, ein Ayran und andere gesäuerte Milcherzeugnisse halten sich erstaunlich lange – der Milchsäure sei Dank!
Das wussten auch schon die alten Griechen und die alten Römer und auch der Rest der alten Welt und deshalb haben essigsaure und milchsaure Produkte eine Jahrtausend währende Tradition, sie ließen sich nämlich auch ohne Kühlschrank aufbewahren.
So, jetzt muss ich Sie aber doch noch etwas erschrecken.
Es soll ja kreative Wochenend-Köche und Köchinnen und allerlei selbstversorgende Partygänger geben („Mensch – bring’ doch einen Salat mit“), die machen sich ihre Mayonnaise oder am besten noch ihren eigenen Kartoffelsalat mit Mayo selber. Und damit das ganze „schön mild“ schmeckt, nehmen sie nur gaaaaaanz wenig Essig.
Sind Sie des Teufels?!
Ihnen ist bitteschön spätestens jetzt klar, dass Sie mit einer zu geringen Menge an Essig den pH-Wert (also quasi den Säuregrad des Lebensmittels) nicht weit genug absenken, um die unerwünschten Mikroorganismen abzutöten. Wenn Sie also statt pH unter 4,2 nur einen pH von z. B. um 6 erreichen und dann ihren selbst gemachten Salat (der so wunderbar mild schmeckt) im Mai noch schön in einer möglichst großen Schüssel beim Grillfest am liebsten noch bei 30 Grad und bei hoher Luftfeuchtigkeit draußen ein paar nette Stunden stehen lassen (mein Gott, der Abend ist ja so schön), dann liegt die Wahrscheinlichkeit, dass Sie und Ihre gesamte Entourage am nächsten Tag erstens in der Zeitung stehen und zweitens wegen einer Lebensmittelvergiftung im Krankenhaus landen, so bei grob 100 Prozent.
Auch das Selbermachen von Dickmilch und Joghurt lassen Sie mal hübsch sein – wer weiß, was Sie sich da alles heran züchten.
Also, sauer macht erstens Kinder lustig und zweitens Lebensmittel sicher.
capisce?