Professor Nöhles Essensalltag
Wenn Sie einmal aufmerksam Ihre Kaffeeverpackung ansehen, finden Sie auf der Schauseite zuweilen Hinweise wie „Feinster Hochland Arabica“, „100% Arabica“ oder auch „Kräftige Robusta-Mischung“. Kommt Kaffee also aus Arabien und ist er robust?
„Kaffee“ wurde erstmals im 9. Jahrhundert in Äthiopien erwähnt und gelangte als geerntete grüne Kaffeebohne (nicht aber als Kaffeepflanze) mit den Handelskarawanen im 14. Jahrhundert in der Tat nach Arabien und von dort in den folgenden Jahrhunderten nach Italien und Frankreich. Das erste Wiener Kaffeehaus öffnete übrigens im Jahre 1685.
Kaffee ist botanisch eine Steinfrucht (und nicht etwa eine Bohne) der Familie der Rötegewächse (lat. Rubiaceae). Diese unterteilt sich in rund 650 Gattungen mit wiederum 12.000 Arten und gehört damit zu den fünf am weitesten verbreiteten Arten der Bedecktsamer im Pflanzenreich.
Nacktsamer und Bedecktsamer, war da nicht etwas im Biologieunterricht?
Na, und eine dieser 12.000 Arten ist eben die Kaffeepflanze Coffea arabica (Arabica Kaffee) und eine andere Art die Coffea canephora, Syn. robusta (Robusta Kaffee). Daneben gibt es noch die Arten Coffea liberica und Coffea excelsa, die aber wirtschaftlich nahezu unbedeutend sind, denn 60 Prozent unseres verzehrten Kaffees sind „Arabicas“ und der Rest von 38 Prozent eben „Robustas“.
Diese Arten unterscheiden sich deutlich:
- Coffea arabica: wird hauptsächlich in Brasilien und anderen lateinamerikanischen Ländern sowie in Ostafrika angebaut, wächst in 600 bis 1200 Metern Höhe, die Früchte sind in neun bis elf Monaten reif, enthält 1 bis 1,5 Prozent Coffein, mit eher feinem Aroma, säurebetont, weniger Bitterstoffe, helle Crema.
- Coffea robusta: wird in Vietnam, Westafrika, Uganda und Indonesien angebaut, wächst in 300 bis 800 Metern Höhe, die Früchte sind schon nach sechs bis acht Monaten reif, enthält mit 2 Prozent deutlich mehr Coffein als die Arabicas, mit etwas schwerem, erdigen Aroma, mit mehr Bitterstoffen, dunkle Crema.
Ähnlich wie bei Wein haben die Zusammensetzung des Bodens, auf dem der ca. vier Meter hohe Kaffeestrauch wächst, und das Klima während des Wachstums einen deutlichen Einfluss auf die Kaffeefrucht und deren spätere Aromaentwicklung. Die Art der Behandlung nach der Ernte der Kaffeekirsche (trockene, halbtrockene oder nasse Aufbereitung), der Röstmethode (Chargenröstung im Trommel- oder Fliessbettröster bei 220 bis 260 Grad Celsius oder kontinuierliche Röstung bei bis zu 560 Grad Celsius über einen kürzeren Zeitraum) und das Temperaturprofil während des Röstens bestimmen das entstehende Aroma und ebenso den Säuregehalt der gerösteten Bohne.
Doch das ist noch nicht alles.
Der Ausmahlungsgrad der gerösteten Bohne (also die Partikelverteilung), die Lagerdauer der gemahlenen Bohnen, die Art der Extraktion des Kaffeepulvers (Aufguss mit Wasser ohne Druck, Extraktion mit Wasser unter Druck von bis zu 20 bar (Espressomaschine)), die Temperatur des Wassers, der Härtegrad des Wassers, die Standzeit des Kaffees nach der Extraktion – all diese Parameter führen zu völlig unterschiedlichen Aromen bzw. sensorischen Eindrücken. Dutzende von Nuancen lassen sich vom geschulten Sensoriker hier unterscheiden.
Damit der Endverbraucher aber nicht mit jeder gekauften Kaffeepackung eine neue „Überraschung“ der Aromenvielfalt aus den vorgenannten Variablen erlebt, werden von den verschiedenen Röstern die Arten der Kaffees (also Robusta bzw. Arabica) und die Ernten nach Anbauland (nach jeweiliger Verkostung von Proberöstungen) nach einem fest gelegten Verfahren geröstet, gemischt und ggf. gemahlen. So wird ein gleichbleibendes Sensorikprofil erreicht, so dass der Verbraucher „seinen“ Kaffee stets wieder erkennt. Daher die Deklaration wie z. B. „100 % Arabicas“ oder „Costa Rica-Kenia blend“.
Wenn Sie Spaß an dieser Sache haben, gehen Sie einmal in ein Kaffee-Spezialitätengeschäft. Dort erhalten Sie nach Ländern fein geordnet die jeweiligen Kaffeearten und die dann noch in verschiedenen Röstungen. Jetzt aber nicht mischen! Probieren Sie alle Produkte einzeln, und Sie werden sehen, es geht zu wie bei einer Weinverkostung. Wenn Sie diesen Job 30 Jahre gemacht haben, erkennen Sie nach Farbe und Form der Bohne und am Sensorikprofil das Herkunftsland, die Art der Bohne und die Röstung. Spätestens dann werden Sie auch bemerken, dass ein 100 % Robusta aus einem bestimmten Land nicht unbedingt „etwas ganz tolles“ ist, sondern eher muffig-erdig schmecken wird. Die richtige Mischung macht’s eben!
Kaffeetrink-Weltmeister sind übrigens die Finnen mit rund 8,5 kg Kaffee pro Kopf pro Jahr. Das entspricht 3,6 Tassen pro Tag. Die Deutschen sind mit 4,8 kg pro Kopf pro Jahr, also 2 Tassen pro Tag, dabei. Damit ist Kaffee für die Deutschen noch vor Bier (!) das beliebteste Getränk.
Ach ja, den Kaffeesatz bitte nicht einfach wegwerfen. Wenn Sie das nächste Mal mit völlig verschmutzten Händen aus Ihrer Bastelwerkstatt kommen, nehmen Sie den Kaffeesatz zum Reinigen Ihrer Hände – es funktioniert tatsächlich. Ihre Handwaschpaste besteht übrigens auch nur aus Sägespänen und Seifenbestandteilen. Die abrasive Rolle der Sägespäne übernimmt ab heute der Kaffeesatz.
„Dual use“ heißt so etwas auf Hochdeutsch.
Und hier noch ein paar Vokabeln, die Sie kennen sollten.
Ein echter Mokka oder Türkischer Kaffee ist ein starker, süßer, schwarzer Kaffee, der im Kännchen mit Kaffeesatz (also ohne Filterung) serviert wird. Er wird also immer stärker, je länger man ihn stehen lässt. Und wenn Sie schon einmal beim Syrer for dinner waren gibt es nach den süßen Sachen ganz am Ende einen Lavendelkaffee, das ist ein süßer Mokka mit Lavendel. Schmeckt gut, aber ein Tässchen reicht.
Ein Pharisäer ist ein Kaffee mit Rum, der mit einer Haube aus Schlagsahne abgedeckt wird, damit man den Rum „nicht so riecht“, denn bei Beerdigungen soll es ja eigentlich keinen Alkohol geben …“Oh, Ihr Pharisäer!“
Ähnliches gibt’s in Rüdesheim mit Weinbrand flambiert und Schlagsahne als Rüdesheimer Kaffee.
Die Österreicher brauchen ein ganzes Buch, um ihre Kaffeespezialitäten zu beschreiben, hier nur die wichtigsten:
- Kleiner Brauner: Mokka mit Milch oder Schlagsahne in einer kleinen Schale
- Einspänner: kleiner Mokka im Glas mit viel Schlagsahne
- Kapuziner: schwarzer Kaffee mit flüssiger Sahne
- Wiener Melange: halb Kaffee, halb geschäumte Milch im Glas
- Kaffee verkehrt: 2/3 Milch, 1/3 Kaffee
- Maria Theresia: Kaffee mit Orangenlikör
- Kosakenkaffee: kleiner Mokka im Einspännerglas, vermischt mit flüssigem Zucker und Rotwein und Wodka
Wenn Sie in Italien einen „Kaffee“ bestellen, erhalten Sie immer einen Espresso, das ist ein sehr starker Kaffee ohne Milch, bei dem das Wasser unter hohem Druck (9 bar) durch das sehr fein gemahlene Kaffeemehl gepresst wird. In Süditalien wird er oft bereits gesüßt serviert. Wenn Ihnen der zu stark ist, dann bestellen Sie in Italien besser einen Caffè americano, das ist ein stark verlängerter Espresso, kommt dem deutschen Kaffee am nächsten.
Der Barista in Italien bereitet Ihnen einen Cappuccino aus je einem Drittel Espresso lungo, heißer Milch und Milchschaum, oft mit Kakaopulver bestreut. Aber bitte bitte denken Sie daran: Cappuccino wird nur am Vormittag getrunken! Nur doofe Tedesci bestellen Cappuccini am Nachmittag und essen Pasta zu allem Unglück auch noch mit Gabel und Löffel und drehen die Spaghetti mindestens fünfmal mit der Gabel auf, herrje nochmal.
Der österreichische „Kaffee verkehrt“ heißt in den Niederlanden Koffie verkeerd, wird aber getrennt serviert als ein Espresso nebst warmer Milch im besonderen Milchkännchen.
Blümchenkaffee nennt man einen Kaffeeaufguss, der so dünn ist, dass Sie durch den Kaffee hindurch sehen und das Blümchen-Dekor am Boden der Kaffeetasse erkennen können. Den gibt’s bekanntlich immer bei der „geizigen Tante“.
Ersatzkaffee oder auch Malzkaffee hat aber nichts mit unserer Art Coffea zu tun, sondern ist nichts anderes als geröstete Gerste oder Zichorie (eine besonders kohlenhydratreiche Rübe) bzw. Mischungen daraus. Der schmeckt natürlich anders als Kaffee, war aber noch vor einhundert Jahren – als Kaffee ein absolutes Luxusgut war – das beliebteste Heißgetränk. Gibt es auch heute noch zu kaufen und ist bei Verbrauchern begehrt, die kein Koffein zu sich nehmen möchten. In Norddeutschland heißt dieses Gebräu Muckefuck.
So, Sie haben jetzt genug gelesen und dürfen jetzt weiter arbeiten, der Tag ist noch lang – aber vorher holen Sie sich noch eben schnell einen Kaffee.