Professor Nöhles Essensalltag
Es ist alles so schön bunt hier!
So wird es Ihnen gehen, wenn Sie sich in einem gut sortierten Supermarkt im Getränkegang befinden – meterweise, nein, zehnmeterweise jede Menge Fruchtsäfte, Fruchtnektare, Fruchtsaftgetränke, Fruchtschorlen, Limonaden, Brausen, jede Menge verschiedener Wässer, Near Water Getränke und für die sowieso schon vor Energie sprudelnden Partymacher noch die „Energydrinks“.
Dann stehen dort Direktsäfte, mal naturtrüb, mal klar; da stehen Säfte aus Konzentrat, dann Mischungen aus verschiedenen Säften mit verschiedenem Fruchtgehalt, mal mit zugesetztem Zucker, mal mit dem Hinweis „ohne zugesetzten Zucker“. Dann gibt es die Fruchtsaftkonzentrate, die man selbst mit Wasser verdünnen muss (Sie erinnern sich gerade an Ihre Kindheit und die Kultmarke TriTop?) sowie unendlich viele Erfrischungsgetränke aus Wasser, Mineralwasser, Quellwasser oder Tafelwasser unter Zusatz von Fruchtsaft, Fruchtkonzentrat, Fruchtmark oder Fruchtmarkkonzentrat.
Dann gibt’s da noch die Schorlen mit Kohlensäure und die vielen Limonaden, die in der Regel mit Aromen, Zucker und Fruchtbestandteilen versetzt sind, sowie als spezielle Gruppe die koffeinhaltigen Limonaden, landläufig auch „Cola“ genannt.
Und alle diese Produkte haben auch noch einen völlig unterschiedlichen Fruchtgehalt.
Flimmert’s Ihnen jetzt vor den Augen? Tja, so ist das, wenn man im Lebensmittelüberfluss lebt.
Also, gehen wir die Produkte einmal anhand der Fruchtsorte Apfel kurz durch:
- Apfelsaft ist der Saft von Äpfeln. Zucker, Zusatzstoffe, Aromen o.ä. oder Wasser zur Verdünnung werden nicht zugesetzt. Es ist also das Produkt, welches Sie auch zuhause herstellen würden, wenn Sie Äpfel auspressen, also 100% Saft. Fertig.
- Apfelsaft aus Apfelsaftkonzentrat ist das mit Trinkwasser rückverdünnte Konzentrat aus Apfelsaft. Er ähnelt in der Zusammensetzung dem reinen Apfelsaft, hat aber einen ganz leichten Kochgeschmack, weil der Ursprungssaft zur Herstellung des Konzentrates thermisch behandelt wurde. Ist aber trotzdem 100 % Saft, keine Zusätze bis auf die zur Rückverdünnung nötige Menge an Wasser – keine zusätzliche Verdünnung.
- Apfelnektar ist ein verdünnter Apfelsaft, der mindestens 50% Apfelsaft, ggf. auch aus Konzentrat, enthält; Zuckerarten können bis max. 20% zugesetzt werden.
- Ein Fruchtnektar ist also nicht – wie landläufig vermutet – ein besonders edles Erzeugnis (weil die netten Honigbienen ja auch den edlen Nektar aus den Blüten sammeln), sondern er ist schlicht ein verdünnter und zuweilen auch gezuckerter Saft. Bitte tun Sie mir den persönlichen Gefallen und begreifen Sie das jetzt, denn das unerklärliche Gerücht, dass ein Nektar noch „besser“ als ein Saft sei, ist schlicht grober Unfug.
- Eine Apfelsaftschorle enthält Apfelsaft, Apfelsaftkonzentrat, Apfelmark, Apfelmarkkonzentrat oder Mischungen daraus, sowie Trinkwasser, Mineralwasser, Quellwasser oder Tafelwasser nebst Kohlensäure und manchmal auch Aromen. Der Fruchtgehalt ist der gleiche wie beim entsprechenden Nektar, für eine Apfelsaftschorle also 50%.
- Ein Apfelfruchtsaftgetränk gehört nicht zu den Säften, sondern ist ein Erfrischungsgetränk. Es wird aus Trinkwasser, Mineralwasser, Quellwasser oder Tafelwasser und wahlweise Apfelsaft, Apfelsaftkonzentrat oder Apfelmark hergestellt.Der Fruchtgehalt beträgt 30%. Andere Fruchtarten, insbesondere Zitrusfruchtarten wie auch Aromen und Aromaextrakte dürfen zugesetzt werden, um den erfrischenden Charakter zu betonen.
- Eine Apfel-Limonade enthält den halben Fruchtgehalt im Vergleich zum korrespondierenden Fruchtsaftgetränk, im Falle des Apfels also 30 : 2 = 15 %. Der Gesamtzuckergehalt beträgt mindestens 7% – eine „Limo“ soll also durchaus süß sein und hat einen relativ geringen Fruchtgehalt – das ist ihr Wesen und nicht etwa eine Irreführung oder ein Betrug.
- Und zu guter Letzt kommt noch die Brause. Hier handelt es sich um ein kohlensäurehaltiges Erfrischungsgetränk, welches auch künstliche Aromastoffe und Farbstoffe enthalten kann. Der Fruchtgehalt ist nicht vorgegeben. Sie erinnern sich noch, als Sie nur noch die quietschgrüne Waldmeisterbrause haben wollten? Das war nichts anderes als Wasser, Zucker, künstliches Aroma und künstlicher Farbstoff – und Sie wollten die und nur die!
Erwachsene bevorzugen halt eher einen Apfelsaft oder eine Apfelsaftschorle, Kinder eher die Limo oder eben die „Quietschbrausen“. Das Leben ist so, wie es ist.
Fassen wir die Fruchtgehalte für das Produkt Apfel zusammen:
- Apfelsaft = 100%
- Apfelsaft aus Konzentrat = 100%
- Apfelnektar = 50%
- Apfelschorle = 50%
- Apfelfruchtsaftgetränk = 30%
- Apfellimonade = 15%
- Apfelbrause = nicht definiert (i.d.R. nur Apfelaroma, auch künstlich)
So, nach dieser Tortur haben Sie sich eine Erfrischung verdient? Nein, noch nicht!
Die Prozentsätze wie oben beschrieben, gelten für die Frucht Apfel – aber nicht unbedingt für alle anderen Früchte, und das hat einen Grund: Einen Apfelsaft haben Sie sicherlich schon einmal selbst gepresst, schmeckt gut, kann man so trinken. Das gilt auch für den Organgensaft. Aber haben Sie schon einmal Rote Johannisbeeren frisch gepresst und den Saft getrunken?
Der würde Ihnen „die Zähne aus dem Zahnfleisch ziehen“ – so derartig sauer und adstringierend wäre dieser Saft.
Das gleiche gilt für Passionsfrucht, Stachelbeeren, Pflaumen, Holunderbeeren, Brombeeren oder wegen des hohen Gehaltes an Fruchtfleisch für Papaya, Guave und Banane usw. Diese sind als Frucht genießbar – aber der reine Saft ist es nicht. Deshalb finden Sie von diesen Früchten auch keine Säfte im Regal.
Anders sieht es bei den Fruchtnektaren aus, denn es sind ja bekanntlich verdünnte Säfte. Je nach Säure- und Fruchtfleischgehalt gelten folgende Mindestgehalte an Fruchtsaft oder Fruchtmark im fertigen Erzeugnis Fruchtnektar (Auswahl):
- Schwarzer, Weißer, Roter Johannisbeernektar = 25%
- Schlehen-, Pflaumen-, Zwetschgennektar = 30%
- Aprikosen-, Erdbeer-, Brombeernektar = 40%
- Holunderbeer-, Cranberrynektar = 50%
Diese im Vergleich zu Apfel oder Orange niedrigeren Prozentsätze an Fruchtgehalt sind also nicht etwa der Versuch der Lebensmittelindustrie, wertvollen Rohstoff „einzusparen“, sondern das sinnvolle Ergebnis einer sensorischen Akzeptanz durch den Verbraucher.
Daraus abgeleitet enthält also eine Pflaumensaftschorle nur 30% Frucht – während die Apfelsaftschorle ja 50% Frucht enthält.
Ein Pflaumenfruchtsaftgetränk enthält nur 10% Frucht, beim korrespondierenden Apfelprodukt sind es 30%.
Eine Pflaumenlimonade enthält bekanntlich die Hälfte des Fruchtgehaltes des entsprechenden (Pflaumen)Fruchtsaftgetränkes, also 10% : 2 = 5%.
Was denn – nur 5% ? Das ist ja fast nichts! Ist das nicht Betrug oder zumindest eine grobe Irreführung?! Nein, mitnichten. Eine Limo aus oder mit Pflaume als Erfrischungsgetränk mit Kohlensäure und mit mindestens 7% Zucker würde aus sensorischen Gründen gar nicht mehr Pflaumensaft vertragen.
Und das ganze steht für den Fachmann in der „Fruchtsaft- und Erfrischungsgetränke-Verordnung“ sowie in den „Leitsätzen für Erfrischungsgetränke“ und für den Verbraucher bezüglich der wertgebenden Bestandteile auf dem Etikett. Punkt.
So, nach dieser Anstrengung haben Sie sich doch noch einen Energydrink verdient. Das ist ein koffeinhaltiges Erfrischungsgetränk mit 65 bis 250 mg/l Koffein und ggf. mit maximal 4000 mg/l Taurin, 200 mg/l Inosit und 2400 mg Glucuronolacton.
Äh, nö, Schluss für heute, sonst mutieren Sie mir doch noch zum Diplom-Getränketechnologen.