Professor Nöhles Essensalltag
Lebensmittel sollen nicht nur appetitlich aussehen, sondern auch ebenso appetitanregend riechen.
Um dieses Ziel zu erreichen, bedient sich der Mensch seit Alters her verschiedener Verfahren, um Aromastoffe in oder auf Lebensmitteln zu erzeugen – meist durch Anwendung von Wärme oder Räuchern. Grüne, ungeröstete Kaffeebohnen, riechen in rohem Zustand eher unangenehm muffig – aber kaum geröstet, verbreitet sich ein angenehmer Geruch, na, eben nach Kaffee.
Was ist passiert?
Beim Rösten von rohem Kaffee oder Kakao bei mehreren hundert Grad Celsius über 10 bis 20 Minuten reagieren die Kohlenhydrate (genau gesagt, die reduzierenden Zucker wie z.B. Glukose oder Fruktose) mit den Eiweißen, die in den Samen enthalten sind, zu neuen Verbindungen, die – meist in sehr komplexen Mischungen – ganz arteigen riechen. Wir sprechen von der „Maillard-Reaktion“, weil der französische Herr Chemie-Professor Louis Camille Maillard an der Uni von Nancy diese chemische Reaktion Anfang des 20. Jahrhunderts erstmals beschrieben hat. Naturwissenschaftlich betrachtet, handelt es sich um eine Mischung von zahlreichen chemischen Reaktionen, die zu neuen Verbindungen führen.
Wie beim Kaffee und Kakao passiert ähnliches beim Anbraten von Zwiebeln, Backen von Brot und Kuchen und Braten von allerlei Fleisch, es riecht dann immer so gut.
Und jetzt noch einmal scharf an ganz früher gedacht: Wenn Oma eine Ente im Ofen briet, dann holte sie das gute Stück so ca. 10 bis 20 Minuten vor Ende des geplanten Bratvorganges noch einmal kurz aus dem Ofen und strich die Ente oben mit Honig ein! Prompt wurde die Ente dann so richtig schön braun und es roch so gut nach Ente.
Tja, Oma hat eben alle wissenschaftlichen Publikationen von Herrn Maillard durchgearbeitet und wusste, dass eine Ente eher wenig Kohlenhydrate enthält, Honig aber eben ziemlich genau zu 64 Prozent die reduzierenden Zucker Glukose und Fruktose; selbige zusammen mit den Eiweißen der Ente bei 220 Grad Celsius ergeben den perfekten Geschmack.
Oma hatte zwar keinen Doktortitel, war aber nicht ganz unschlau.
Heute wissen wir natürlich alles besser und so machten sich Heerscharen an Lebensmittelchemikern daran, die einzelnen Aromastoffe zu analysieren, in ihrer Struktur genau zu beschreiben und natürlich einzeln aus Naturstoffen zu isolieren oder auch zu synthetisieren. So ist es heute möglich, einzelne Aromakomponenten „passgenau“ zu komplexen Aromen zusammenzusetzen und als „Aroma“ Lebensmitteln zuzusetzen.
Wie es sich für eine hoch organisierte Gesellschaft gehört, gibt es zu den komplexen Aromen auch einen Satz komplexer Rechtsvorschriften.
Wir unterscheiden zwischen folgenden Aromastoffen:
- Natürlicher Aromastoff: durch geeignete physikalische, enzymatische oder mikrobiologische Verfahren aus pflanzlichen, tierischen oder mikrobiologischen Ausgangsstoffen gewonnen; diese Aromastoffe kommen tatsächlich so in der Natur vor.
- Aromastoff: chemisch definierter Stoff mit Aromaeigenschaften, muss nicht aus Lebensmitteln entstammen; also „alles, was riecht“ aber in jedem Falle eindeutig definiert ist.
- Aromaextrakt: wird aus Lebensmitteln aber auch aus Nicht-Lebensmitteln durch geeignete physikalische, enzymatische oder mikrobiologische Lebensmittelzubereitungsverfahren hergestellt, also z.B. durch Destillieren, Auspressen, Vergären etc.
- Thermisch gewonnenes Reaktionsaroma: Mischungen aus Lebensmittelzutaten aber auch Nicht-Lebensmittel, die erhitzt werden und dadurch neue Aromakomponenten entwickeln (unsere Maillard-Reaktion!).
- Raucharomen: hier handelt es sich um fraktioniertem, gereinigtem und kondensiertem Rauch, der z. B. durch das Verschwelen von Buchenholzchips gewonnen wird.
Also, im Ernst, das ist schon eine Wissenschaft für sich.
So, und wie kann der Verbraucher jetzt den Zusatz von Aromen zu Lebensmitteln erkennen? Und ist da nicht jede Menge Betrug im Spiel, wenn Lebensmittel aromatisiert sind, obwohl das Aroma ja gar nicht „aus dem Lebensmittel entstanden ist“, sondern eben zugesetzt wurde?
Der Zusatz von Aromen muss auf dem Etikett des Lebensmittels zunächst einmal klar gekennzeichnet werden.
Nehmen wir einmal das berühmt-berüchtigte Beispiel des Erdbeeraromas in einem Erdbeerjoghurt:
- Fall 1:
Auf dem Etikett steht „Natürliches Erdbeeraroma“. Dann kommt das Aroma auch tatsächlich aus der Erdbeere und ist aus dieser Frucht mittels eines geeigneten Verfahrens isoliert worden. Punkt.
- Fall 2: Auf dem Etikett steht „Natürliches Aroma“. Dann kommt das Aroma aus einem pflanzlichen, tierischen oder mikrobiologischen Ausgangsstoff und wird durch ein Lebensmittelzubereitungsverfahren gewonnen; es handelt sich also um einen natürlichen Stoff – aber der muss nicht aus der Erdbeere stammen (schmeckt aber vermutlich ähnlich der Erdbeere, sonst würde der Hersteller den nicht für den Erdbeerjoghurt verwenden).
- Fall 3: auf dem Etikett steht „Aroma“. Dann können die Aromastoffe aus Lebensmitteln aber auch aus Nicht-Lebensmitteln mittels geeigneter physikalischer, enzymatischer oder mikrobiologischer Verfahren gewonnen werden. Sie können Komponenten enthalten, die in der Natur vorkommen oder eben auch nicht. Es können auch Aromastoffe verwendet werden, die nirgends in der Natur vorkommen, also künstlich sind.
So – und jetzt kommt die Frage aller Fragen: Kann ein Aroma für unseren Erdbeerjoghurt auch aus Sägespänen und dann auch noch mittels Schimmelpilzen her gestellt werden?
Das Wichtigste vorweg: Erdbeeraromen werden nicht mit Schimmelpilzen und auch nicht aus Sägespänen hergestellt – diese Information war ein Irrläufer aus der nicht-wissenschaftlichen Literatur, der leider nie richtig gestellt wurde.
However, cellulosehaltige Fasern – und dazu zählt auch Holz – werden von alters her zur Lebensmittelgewinnung genutzt. Das beste Beispiel ist der Zimt aus der Rinde des Zimtbaumes.
Auch zur Aromenherstellung eignen sich Cellulosefasern, z. B. für Vanillin aus Lignin, einem Holzbestandteil. Der Herstellprozess aus dem Lignin ist aber ein chemischer Prozess, bei dem sich die aromagebenden Inhaltsstoffe bzw. deren Vorstufen chemisch verändern – deshalb darf Vanillin aus dem Lignin des Holzes nicht als „natürliches Aroma“, sondern nur als „Aroma“ gekennzeichnet werden. Und das wird auch genau so gemacht.
Auch die Herstellung von „Natürlichen Aromen“ aus Cellulosefasern ist denkbar, dazu werden seitens der Aromenverordnung allerdings strenge Anforderungen an den Herstellprozess gestellt. Die Aromastoffe sind durch geeignete physikalische, enzymatische oder mikrobiologische Verfahren aus pflanzlichen (dazu gehört auch Holz), tierischen oder mikrobiologischen Ausgangsstoffen zu gewinnen, die als solche verwendet oder mittels eines oder mehrerer genau definierter „herkömmlicher Lebensmittelzubereitungsverfahren“ für den menschlichen Verzehr aufbereitet werden.
Auch (Edel)Schimmelpize werden bekanntlich für die Lebensmittelherstellung verwendet, siehe Camembert (Weißschimmel, Penicillium camberti), Roquefort (Blauschimmel, Penicillium roqforti), Edelschimmel auf der Außenhülle von italienischer Salami bis hin zur „Edelfäule“ auf Eiswein, bei der es sich um Botrytis cinerea handelt. Folglich können auch Schimmelpilze zur Herstellung von Aromastoffen verwendet werden.
Also, meine Empfehlung für den nächsten Lebensmitteleinkauf: Nicht gleich losmeckern, sondern
- Leeeeesen, was auf dem Etikett steht
- Entscheiden, was Sie wirklich wollen
- Es sich schmecken lassen
Schöne Grrrrrrrrüße von der Oma!