Professor Nöhles Essensalltag
Heute müssen Sie wieder hart arbeiten, denn jetzt kommt etwas klassische Biochemie ohne die unser Leben aber nicht funktioniert. Besser Sie lernen heute gleich einmal, wie es geht und warum Sie überhaupt (über)leben.
Enzyme, früher auch Fermente genannt, sind Eiweiße, die biochemische Reaktionen katalysieren. So steht’s in Wikipedia und das hört sich auch schlau an. Doch was ist ein Katalysator und um welche biochemischen Reaktionen geht es?
Ein Katalysator ist ein Stoff, der die Reaktionsgeschwindigkeit einer chemischen Reaktion erhöht, in dem er die dafür benötigte Aktivierungsenergie senkt. Alle chemischen und physikalischen Reaktionen in unserem Universum benötigen Energie um abzulaufen.
Wenn Ihr Körper z.B. Fette aus der Nahrung aufnimmt, um daraus Energie zu gewinnen, damit Ihnen nicht so kalt ist, dann könnte Ihr Körper das Fett z.B. durch eine offene Flamme verbrennen. So ab 400 Grad Celsius brennt Fett ganz hervorragend und setzt eine gewaltige Wärmemenge – und als Endprodukt der Verbrennung – CO2 frei.
Klappt wunderbar, ist nur etwas sehr heiß für Sie.
Die Alternative Ihres Körpers ist die „biochemische Verbrennung“ – besser Verstoffwechselung. Aber eben nicht mit offener Flamme, sondern bei ziemlich genau 37 Grad Celsius, indem Enzyme als funktionelle Eiweiße die Fette unter Energiegewinnung „chemisch zerlegen“ und ebenso als Endprodukt CO2 „ausstoßen“ – nämlich über die Atemluft. Deshalb atmen Sie Kohlendioxyd aus. Das Endprodukt ist also das gleiche wie bei der offenen Verbrennung, aber es funktioniert bei 37 Grad anstatt bei 400 Grad – und genau das ist die „Absenkung der Aktivierungsenergie“, die die Enzyme bewirken.
Das war jetzt etwas sehr plakativ, aber nichts anderes passiert in allen Mikroorgansimen und in allen Pflanzen und Tieren und auch im menschlichen Körper. Es gibt tausende verschiedene Enzyme, die in einem hoch entwickelten Organismus in einem sehr komplexen und sensiblen Gleichgewicht miteinander stehen.
Die Biochemiker haben einen Großteil dieser Enzyme natürlich schon katalogisiert, wir unterscheiden zwischen den sechs großen Enzymklassen:
- Oxidoreduktasen, welche Oxidations- und Reduktionsreaktionen katalysieren
- Transferasen, die funktionelle Gruppen von einem Stoff auf den anderen übertragen
- Hydrolasen, welche die Bindungen unter Verwendung von Wasser spalten
- Lyasen, die neue Verbindungen synthetisieren
- Isomerasen, welche die die Struktur von Verbindungen ändern
- Ligasen, die Additionsreaktionen beschleunigen
Unser Fett „verbrennendes“ Enzym ist danach eine Lipase (griechisch lipos, das Fett) und gehört zur Klasse der Hydrolasen, die also Bindungen spalten.
Ohne Enzyme läuft auf unserer Erde gar nichts und natürlich auch nicht in der Lebensmittelherstellung. Hier ein paar schöne Beispiele:
- Zur Bierherstellung wird die Gerste „eingemaischt“. Was passiert? Die getreideeigenen Amylasen spalten die Stärke der Gerste in kleine Einheiten, so dass diese für die Hefen als Nährstoffe dienen können. Die Hefen verstoffwechseln die kleinen Kohlenhydrate zu Alkohol und CO2 – gemeinsam mit restlichen Kohlenhydraten und geschmacklichen abrundendem Hopfen auch Bier genannt.
- Zur Joghurtherstellung wird der Milch eine „Kultur“ zugesetzt. Was passiert? Die Hydrolasen der zugesetzten Milchsäurebakterienkultur verstoffwechseln den Milchzucker aus der Milch zu Milchsäure, der pH-Wert sinkt, dadurch fallen die Proteine der Milch aus und das ganze wird dick – auch Joghurt genannt.
- Die Bienen sammeln Nektar aus den Blüten von Pflanzen. Was passiert? Die Invertase im Stoffwechsel der Bienen hydrolysiert die Saccharose aus den Pflanzen zu Glucose und Fructose. Das ganze Gemisch scheiden die Bienen wieder aus – auch Honig genannt.
Ich sehe, nach der etwas schwierigen Biochemie zu Beginn können Sie mir jetzt wieder folgen.
Klar hat der Mensch sich diese Eigenschaft der Enzyme schon zunutze gemacht und setzt isolierte Enzyme gezielt großtechnisch ein. Hier das schlagende Beispiel aus Ihrem ganz persönlichen Alltag:
- Oma musste ihre Wäsche im Kessel bei 95 Grad Celsius kochen, wenn sie wirklich rein sein sollte – gemeint ist die Wäsche, nicht die Oma. Sie waschen Ihre Wäsche heute aber nur bei 40 Grad und trotzdem wird sie genau so rein, eigentlich noch reiner. Warum? Im Waschmittel sind Lipasen und Proteasen, die hydrolysieren die Flecke, das heißt die Fette und Eiweiße Ihrer Kleckereien. Und dafür reichen auch 40 Grad: Eine echte katalysierte Reaktion!
Nach diesem Prinzip werden auch Lebensmittel im Rahmen der industriellen Herstellung gezielt mit Enzymen versetzt, um ganz bestimmte Reaktionen zu katalysieren.
- Fondantpralinen mit einer halbflüssigen Füllung. Wie wird so etwas hergestellt? Man versetzt die Saccharose im Inneren der Praline mit Invertase, diese hydrolysiert die Saccharose zu Glukose und Fructose – also genau wie die Bienen – und prompt wird das Innere der Praline flüssig, wie Honig.
- Backwaren halten sich länger frisch. Wie wird das erreicht? Man versetzt das Mehl mit Amylasen, wie sie auch natürlich im Mehl vorkommen; diese hydrolysieren die Stärke im Mehl, die kleineren Stärkemoleküle binden Wasser und das daraus hergestellte Brot bleibt länger weich und frisch.
Und – wird das Ganze auch gekennzeichnet? Na klar.
Auch dafür gibt es klare Regeln. Wenn das Enzym eine technologische Wirkung im Enderzeugnis hat, wird es wie ein Zusatzstoff gekennzeichnet. In unserem Beispiel zur Fondantpraline (in der das Enzym auch noch nach der Herstellung der Praline wirksam ist) finden Sie in der Zutatenliste „Stabilisator Invertase“.
In unserem Beispiel mit der Backware hat das Enzym im Endprodukt aber keine Wirkung mehr, weil es beim Backen (über 200 Grad Celsius) thermisch zerstört wird. Daher ist es nicht in der Zutatenliste zu kennzeichnen.
So, nach so viel Wissenschaft bekommen Sie jetzt noch eine biochemische Information, die Sie garantiert noch nicht wussten.
Warum wird der Mensch schon bei 38 Grad Celsius Körpertemperatur krank, stirbt bei „lächerlichen“ 42 Grad und – zur anderen Seite hin – ist schon bei 35 Grad apathisch und bei 28 Grad bewusstlos? Ganz einfach: die Enzyme von Warmblütern (und dazu gehört der Mensch) haben ein extrem scharfes Temperaturoptimum von 37 +/- 2 Grad Celsius. Wird dieses Optimum über- oder unterschritten, geht es uns schlagartig „schlecht“, weil eben die zehntausende biochemischer Abläufe nicht mehr regelkonform miteinander harmonieren. Alles bricht zusammen. was schlussendlich zum Tod führt.
Enzyme sind eben ziemlich wichtige Bausteine des Lebens!