Professor Nöhles Essensalltag
„Vitamin C ist gesund und schützt vor Erkältungen. In der dunklen Jahreszeit, wenn es draußen kalt ist, muss man ganz viel frisches Obst und Gemüse essen, dann kommt man gut durch die Schnupfenzeit.“
Solche oder ähnliche Lebensmittelmythen lesen, hören und sehen Sie ständig in den Medien – und fast jeder glaubt daran. Doch was können Vitamine wirklich?
Vitamine (lat. Vita = das Leben; amin = stickstoffhaltig) sind nichts anderes als einfache chemische Stoffe, die die körpereigenen Enzyme benötigen, um ihre spezifischen biochemischen Reaktionen zu katalysieren. Daneben benötigen die Enzyme meist noch Spurenelemente wie zum Beispiel Zink, Jod oder Eisen, damit die biochemische Reaktion sollgerecht abläuft.
In unserem Körper befinden sich hunderttausende verschiedene natürliche Stoffe oder Chemikalien, die für die Zellfunktionen wichtig sind. Diese werden fast alle von unserem Körper selbst synthetisiert. Nur für genau die 13 nachfolgenden Stoffe trifft das nicht zu:
Trivialname | Chemischer Name |
Vitamin A | Retinol |
Vitamin B1 | Thiamin |
Vitamin B2 | Riboflavin |
Vitamin B3 | Niacin |
Vitamin B5 | Pantothensäure |
Vitamin B6 | Pyridoxin |
Vitamin B7 | Biotin |
Vitamin B9 | Folsäure |
Vitamin B12 | Cobalamin |
Vitamin C | Ascorbinsäure |
Vitamin D | Calcitriol |
Vitamin E | Tocopherol |
Vitamin K | Phyllochinon |
Und diese 13 Stoffe nennen wir Vitamine und die sind wichtig für die enzymatischen Reaktionen. Elf dieser Stoffe können wir überhaupt nicht selbst synthetisieren. Zwei kann der Körper unter Zufuhr bestimmter andere Stoffe begrenzt herstellen, das sind Vitamin D (in Verbindung mit Sonnenlicht) und Vitamin B3 (in Verbindung mit der essentiellen Aminosäure Tryptophan, die auch wiederum mit der Nahrung aufgenommen werden muss). Es handelt sich bei Vitaminen also nicht um mystische Seltenheiten, sondern um einfache „Chemikalien“, die wir mangels Eigensynthese zwangsläufig mit der Nahrung von außen zuführen.
Nicht zu viel und nicht zu wenig
Die Pflanzen sind uns übrigens voraus, sie können alles selbst synthetisieren, Pflanzenvitamine gibt es nicht. Wenn Sie also eine Pflanze richtig ernähren wollen, brauchen Sie nur Wasser, Kohlendioxid aus der Luft, Stickstoff aus dem Boden, Sonnenlicht für die Photosynthese und ein paar uns bereits bekannter Spurenelemente wie beispielsweise Magnesium. Und schon wächst die Pflanze los.
Fehlen diese Stoffe beim Menschen ganz oder sind sie in deutlich zu geringer Menge vorhanden, so laufen die biochemischen Reaktionen nicht sollgerecht ab und der Mensch wird krank.
Die folgenden Beispiele kennen Sie alle:
- Zu wenig Vitamin C kann unter anderem zu Skorbut führen (Spätschaden Zahnausfall)
- Zu wenig Vitamin D kann unter anderem zu unzureichender Knochenbildung führen (Spätschaden weiche Knochen mit der Folge von O- oder X-Beinen)
- Zu wenig Vitamin B12 kann unter anderem zu unzureichender Nervenreizleitung (Kribbeln in den Extremitäten) führen.
Vitamine sind also so gesehen nicht „gesund“ – aber das dauerhafte Fehlen über einen langen Zeitraum macht explizit krank. Deshalb können Vitamine in der Regel auch nicht vor anderen Krankheiten schützen, die nicht durch ihren eigenen Mangel induziert sind. Schon gar nicht verhindert die Aufnahme von zum Beispiel Vitamin C eine virale Infektion wie Schnupfen. Es gibt keinerlei Studien, die das belegen könnten.
In Europa leidet auch niemand an einer Untervitaminierung – dazu geht es uns ernährungsphysiologisch viel zu gut.
Die Zuführung von mehr Vitaminen, als eine ausgewogene Ernährung es mit sich bringt, macht uns auch nicht etwa gesünder. Im Gegenteil, wasserlösliche Vitamine beispielsweise werden aus dem Blut mit dem Urin in Sekundenschnelle wieder ausgeschieden. Fettlösliche Vitamine (A, D, E, K) werden bei übermäßiger Zufuhr in bestimmten Zellen angereichert und können zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. Bestimmt haben Sie schon einmal von der so genannten „Bronzehaut“ gehört, die jemand bekommt, der extrem viel Vitamin A beziehungsweise Provitamin A zu sich nimmt. Ebenso können sich Carotinoide in der Retina des Auges ablagern, wenn man extreme Mengen an Carotinoiden zu sich nimmt. Allerdings ist eine pathologische Überversorgung mit Vitaminen aus der Nahrung unmöglich; nur wer isolierte Vitamine in unphysiologischen Mengen zu sich nimmt, kann die unerwünschten Effekte erleiden.
Die einzigen gesunden Verbraucher, die definitiv Vitamine (hier B12) extern aufnehmen müssen, sind die Veganer. Vitamin B12 (Cobalamin) kommt nur in tierischen Lebensmitteln vor, weil die meisten Tiere diesen Stoff benötigen und ihn auch selbst synthetisieren können. Cobalamin wird in der Leber gespeichert. Ein streng vegan lebender Mensch wird zwangsläufig rund ein Jahr nach dem Beginn der streng veganen Lebensweise erste „fühlbare“ Fehlfunktionen in der Nervenreizleitung erleiden und muss Vitamin B12 zum Beispiel durch Nahrungsergänzungsmittel zuführen.
Fazit: Es ist wie immer im Leben – von allem etwas, nichts über- und nichts untertreiben: Und es geht Ihnen gut!