Professor Nöhles Essensalltag
„Fast Food ist schlecht“ und „Slow Food ist gut“ – oder so ähnlich jedenfalls schallt es aus den Medien. Doch was ist eigentlich „fast“ und was ist „slow“ und was ist daran gut oder schlecht?
Wenn ich in ein Schnellrestaurant mit dem goldenen M oder dem großen B gehe und meinen Burger innerhalb von einer Minute bekomme, dann ist das in der Tat reichlich fast. Wenn ich mir in einer Bäckerei, im Bahnhof oder in der Fußgängerzone ein belegtes Brötchen kaufe und es an Ort und Stelle verzehre, geht das aber mindestens genau so fast. Auch wenn ich in einem italienischen Café mit halbwegs flotter Bedienung ein Ciabatta bestelle, bekomme ich das innerhalb von drei Minuten auch noch ziemlich fast. Also ist alles, was ich schnell bestellen und sofort verzehren kann, Fast Food – und damit ungesund?
Das kann wohl nicht ganz stimmen. Selbst wenn ich mich am Sonntag an den schön gedeckten Tisch zuhause setze (den ich aber nicht selbst gedeckt habe, weil ich ja unbedingt noch in der Werkstatt irgendetwas schrauben musste) und beginne, von jetzt auf gleich zu essen, wäre das dann fast – und a priori – ungesund? Wohl nicht.
„Fast Food ist immer viel zu fett und zu kalorienreich und dann auch noch zu salzig“, lautet das nächste Vorurteil.
Die Nährwerttabelle liegt bei den Schnellrestaurants (im Gegensatz zu den Edelrestaurants) meist gleich auf dem Tablett dabei. Ein Blick auf diese Tabelle zeigt: Ein doppelter Burger der großen Schnellrestaurants hat 12 bis 14% Fett beziehungsweise absolut ungefähr 26g Fett, etwa 509 kCal und maximal 2,3g Salz bezogen auf den verzehrfertigen Burger von 221g. Doch, oh Schreck, ein Blick auf die Nährwerttabellen der Rezeptbücher zeigt, dass so eine hausgemachte Portion Rinderroulade an Knödeln bezogen auf die verzehrfertige Portion rund 52g Fett bei einem Brennwert von 666 kCal und damit mehr als ein doppelter Burger hat. Dieses Vorurteil, Fast Food sei fettiger oder kalorienreicher, passt also auch nicht. Und von Omas Gänsebraten rede ich jetzt besser nicht, sonst fallen Sie noch vom Glauben ab.
Fast Food hat also eher nichts mit der Zeit zwischen Zubereitung und Verzehr, auch nichts mit der Zusammensetzung des Lebensmittels, sondern eher etwas mit dem Verzehrstil zu tun. In einem Schnellrestaurant und ebenso vor der Currywurstbude bleibe ich natürlich nicht eine Stunde in Ruhe sitzen und denke über die gerade verzehrte Speise nach. Im Gegenteil, zuweilen esse ich im Stehen und telefoniere auch noch nebenbei. In jedem Fall aber esse ich unbewusster als beim selbst gekochten Samstagabend-Dinner mit Freunden zuhause. Dieser Umstand an sich macht aber ein Lebensmittel an sich weder ungesund, noch bestimmt er gar die ernährungsphysiologische Zusammensetzung des verzehrten Lebensmittels.
Ich muss mir allerdings zuweilen die Frage stellen, ob ich meine Welt eigentlich noch bewusst wahrnehme oder ob ich nur noch Getriebener meines eigenen Profitstrebens bin.
So beschreibt denn auch der Gründer von Slow Food, Herr Carlo Petrini: „Ich möchte die Geschichte einer Speise kennen. Ich möchte wissen, woher die Nahrung kommt. Ich stelle mir gerne die Hände derer vor, die das, was ich esse, angebaut, verarbeitet und gekocht haben.“
Bei Slow Food geht es also um die bewusste Wahrnehmung des Anbaus, der Ernte, der Zubereitung der Lebensmittel und um den Verzehrstil.
„Bewusst essen und trinken“
Dem Leitsatz von Carlo Petrini kann ich nur zustimmen. Das Ganze kostet allerdings eine unserer wichtigsten Ressourcen in unserer arbeitsteiligen Industriegesellschaft: Zeit. Jeder von uns verfügt über exakt dasselbe Zeitvolumen und darf selbstständig über die Verteilung dieses hohen Gutes entscheiden: etwas bewusster und in Ruhe essen (und leben) – oder „Porsche fahren“.
Das muss jeder in der Tat selbst entscheiden und sein inneres Gleichgewicht finden. Bei mir persönlich klappt „slow“ immer nur am Wochenende. In der Woche lebe ich eher „fast“ und in der Tat etwas unbewusst. Mit dem Lebensmittel an sich, seinem Fett- und Salzgehalt, den verwendeten Zutaten einschließlich Zusatzstoffen, dem Vitamin- und Mineralstoffgehalt oder der Form der Präsentation der Lebensmittel hat das aber eher wenig zu tun.