Professor Nöhles Essensalltag
Das Schlechteste, das es in Bezug auf Lebensmittel geben kann, ist offensichtlich Cholesterin. Es ist in fast allen tierischen Produkten enthalten, aber niemand will es haben. Warum ist das so – oder besser gefragt, ist es wirklich so?
Unsere Lebensmittel bestehen aus Fetten, Eiweißen und Kohlenhydraten als so genannte Makronährstoffe, also mit „Körper und Kalorien“. Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente als so genannte Mikronährstoffe sind in kleinsten Mengen für ganz bestimmte Wirkungen im Stoffwechsel des Körpers verantwortlich.
Doch das war nur die grobe Übersicht. Die Gruppe der Lipide (= Lipide, griech. lípos, das Fett) wiederum bestehen aus den Ihnen bekannten eigentlichen Fetten (das sind so genannte Triglyceride), aber auch zahlreichen Fettbegleitstoffen, den Lipoiden. Das sind fettähnliche Stoffe wie Wachse, Phosphatide, Steroide und eben die Sterine, unter ihnen das Cholesterin. Cholesterin ist ein tierisches Sterin und kommt in allen Tieren (und auch im Menschen) und damit selbsterklärend in allen tierischen Lebensmitteln vor. Pflanzen enthalten ebenfalls Sterine, die so genannten Phytosterine, sie sind den tierischen Sterinen ähnlich.
Cholesterin ist lebenswichtig
Wie alles in unserer Natur haben diese Sterine – und auch das Cholesterin – eine wichtige Bedeutung: sie sind Bestandteile der Plasmamembran der Zellwände, sind verantwortlich für die Elastizität der Zellmembrane, sind Vorstufen von im Körper synthetisierten Hormonen und Gallensäuren und auch an einer Vorstufe der körpereigenen Synthese von Vitamin D beteiligt.
Cholesterin ist damit ein absolut lebenswichtiger Bestandteil aller tierischen Lebewesen. Ein Hühnerei enthält beispielsweise rund 240 mg/100g Cholesterin – das Ergebnis zusammen mit den zahlreichen anderen Inhaltsstoffen ist nach Bebrütung bekanntlich ein lebendiges Küken.
Cholesterin wird in den Leberzellen von Mensch und Tier synthetisiert. Rund 75 bis 90% des im Menschen vorhandenen Cholesterins sind körpereigen hergestellt, nur 10 bis 25% werden mit der Nahrung aufgenommen. Jeder Mensch hat einen genetisch festgelegten, natürlichen „Cholesterin-Stoffwechsel“, das heißt seine Cholesterinkonzentration im Blut (beim Arzt gemessen in mg/dl (Milligramm pro Deziliter)) ist weitgehend konstant. Nehmen wir mit der Nahrung hohe Mengen an Cholesterin zu uns, so reduziert der Körper die eigene Synthese in gleichem Maße. Reduzieren Sie durch eine extrem cholesterinarme Diät die Aufnahme des Stoffes, meldet Ihr Körper an die Leberzellen „zu wenig von außen – bitte mehr selbst synthetisieren“.
Ja, ich weiß, jetzt sind Sie doch etwas schockiert und Ihr ernährungswissenschaftliches Weltbild gerät gehörig ins Wanken. Aber Sie lesen richtig: Rein theoretisch ist es also vollkommen egal, wieviel Cholesterin Sie über die Nahrung zu sich nehmen oder auch vermeiden – Ihr Körper regelt immer auf ein konstantes Niveau dagegen.
Und jetzt kommen wir zum entscheidenden Punkt, Cholesterin sei doch Teil der Plaques in den Gefäßwänden und verursache früher oder später einen Gefäßverschluss, der zum Herz- oder Hirninfarkt führt – und deshalb müsse man die Cholesterinaufnahme aus der Nahrung unbedingt reduzieren. Nein, so einfach ist die Sache eben nicht.
Die besagten Plaques bestehen nicht etwa nur aus Cholesterin, sondern aus einer komplexen Mischung aus zahlreichen Fettbegleitstoffen wie Fettsäuren, Sterinen, Kollagen, Proteoglykanen und zahlreichen anderen Stoffen.
Das Auftreten von Plaques hängt auch nicht linear mit dem Alter zusammen und schon gar nicht mit der Cholesterinaufnahme aus Nahrung, sondern ist das Ergebnis einer chronisch fortschreitenden Degeneration der Arterienzellwände (deren Ursachen aber letztlich nicht geklärt sind) in Verbindung mit Übergewicht (zum Beispiel durch überkalorische Ernährung), mangelnde körperliche Aktivität, Rauchen, Bluthochdruck, Diabetes, Schilddrüsenüberfunktion, Gicht, Fettstoffwechselstörungen und so weiter.
Und lieber keine voreiligen Schlussfolgerungen ziehen. Die Tatsache, dass ein gewisser Altbundeskanzler mit 96 Jahren raucht wie ein Schlot und keinen Herzinfarkt bekommt, ist kein Beweis dafür, dass Rauchen unschädlich ist. Genauso wenig ist bewiesen, dass eine Cholesterinvermeidungs-Diät vor einem Herzinfarkt schützt. Umgekehrt haben Sie sicher schon gehört, dass es gertenschlanke Sportler gibt, die im Alter von 33 Jahren an einem Herzinfarkt versterben.
Was bleibt übrig von der Cholesterin-Story? Nichts.
Mein Tipp: Von allem die Hälfte essen, sich jeden Tag schön bewegen und das Leben im Kopf genießen!