Ein Gastbeitrag von Anne-Kristin Barth, Verband Deutscher Mühlen e. V.
Immer wieder liest man vom inhaltslosen, ballaststofffreien Weißmehl und den daraus hergestellten Produkten wie Weißbrot. So fragte unlängst die Bildzeitung „Ist Weißbrot wirklich so schlecht wie sein Ruf?“ und Fernsehkoch Andreas Studer antwortet: „Ja! Denn Weißbrot enthält keine Ballaststoffe, dafür aber sehr viele Kohlenhydrate.“ Ein weiterer Artikel, unter anderem veröffentlicht in der Berliner Zeitung, schlug in eine ähnliche Kerbe. Dort war zu lesen: „In verarbeiteten Speisen wie zum Beispiel Brot und Müsli können sich häufig leere Kalorien* verstecken“. Egal ob im Netz, in den Medien, bei (selbsternannten) Experten oder bei der ernährungsbewussten Freundin auf der Couch: Weißmehlprodukte, wie Weißbrot und Schrippen haben es schwer. Doch halt: Es ist an der Zeit, mit der Mär vom inhaltsleeren Mehl und Brot und den bösen Kohlenhydraten aufzuräumen.
Helle Typenmehle enthalten meist mehr Ballaststoffe als viele Obst- und Gemüsesorten
Zuerst zum umgangssprachlichen Begriff „Weißmehl“. Eine Definition dafür gibt es nicht. Betrachtet man die Angelegenheit aus müllereitechnologischer Sicht, gibt es lediglich Typenmehle: Die Type gibt Auskunft über den enthaltenen Mineralstoffanteil im jeweiligen Mehl und wird seit 1992 durch die DIN Norm 10355 geregelt. Zu ihrer Bestimmung wird eine Mehlprobe bei ca. 900°C verglüht, die mineralischen Teile des Produkts bleiben übrig. Diese Mineralstoffmenge (Asche in mg/100 g Trockensubstanz) entspricht dann der Mehltype. Die Aussage „keine Nährstoffe in Weißmehlen“ und damit indirekt „leere Kalorien“ ist gerade bei den Mineralstoffen ganz klar eine Fehlinformation. Den Tatsachenbeweis liefert die Mehltypenzahl. Nimmt man das Standardmehl Type 550 für Brötchen, sind im Mittel also 550 mg Mineralstoffe enthalten und damit ziemlich exakt ein Drittel des Mineralstoffgehaltes vom vollen Weizenkorn. Also inhaltsleer ist was anderes. Und was viele „Experten“ an dieser Stelle überraschen dürfte: Sogar Ballaststoffe sind im hellen Typenmehl enthalten – wie ES richtigerweise heißen müsste. Fachlich richtig ist, dass der überwiegende Teil unlöslicher Ballaststoffe in den Randschichten des Korns vorkommt. Niemand bestreitet, dass Vollkornprodukte den höchsten Ballaststoffanteil haben, schließlich ist in ihnen das volle Korn vermahlen. Allerdings haben Getreideforscher auch im Mehlkörper, also im Korninneren Ballaststoff-Fraktionen lokalisiert, vor allem die stoffwechselaktiv-löslichen. Zusätzlich sind selbst in den hellsten Mehlen immer gewisse Anteile von mehlfein zerkleinerten Schalenteilchen enthalten, weshalb der historische Begriff „Auszugsmehle“ lebensmitteltechnologisch überholt ist. Denn für die hellen Typenmehle wird nichts „herausgezogen“, sondern das Getreide wird in mehreren Mahlpassagen „durchgemahlen“, wie es müllereitechnisch heißt. Zusammen mit den Mineralien aus den Randschichten des Korns kommen daher durchaus respektable Mengen B-Vitamine und Ballaststoffe als „Passagiere“ in die hellen Mehle. Das führt beispielsweise dazu, dass selbst nach den sehr restriktiven EU-Richtlinien Brötchen, Weiß- oder Toastbrote aus diesen hellen Typenmehlen korrekterweise als „Ballaststoffquelle“ bezeichnet werden können, denn sie enthalten üblicherweise mehr als die für dieses Prädikat notwendigen drei Prozent – und damit auch mehr Ballaststoffe als die meisten Obst- oder Gemüsesorten.
Leere Kalorien sehen anders aus
Damit ist auch die Aussage, Brot enthalte leere Kalorien, ad absurdum geführt. Als „leere Kalorien“ werden umgangssprachlich Lebensmittel bezeichnet, die bei hoher Energiedichte nur eine geringe Nährstoffdichte aufweisen. „Weißmehl“ hat weder eine hohe Energiedichte, noch eine geringe Nähstoffdichte. Selbst helle Typenmehle liefern neben Kohlenhydraten auch Eiweiße, Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe, dafür wenig Fett. Das gleiche gilt auch für naturbelassenes Müsli aus Getreideflocken. Sind dem Müsli allerdings allerlei Extras in Form von Schokostückchen und Zucker zugesetzt, kann das natürlich anders aussehen. Denn dann verstecken sich „leere Kalorien“ bei den guten Stärke- und Ballaststoffkohlenhydraten aus Getreide. Und ich vermute an dieser Stelle, das war es auch, was der Autor in seinem Artikel in der Berliner Zeitung sagen wollte. Leider kommen durch starke Verkürzung oft falsche Aussagen heraus. Mehr Differenziertheit wäre an dieser Stelle angebracht.
* Leere Kalorien: Bezeichnet Lebensmittel, die viel Energie aber wenige wichtige Nährstoffe enthält.
Weizenmehl ist dann gesund, wenn es möglichst naturbelassen bleibt. Dann werden nämlich alle Antagonisten für eine gesunde Verdauung und Verstoffwechslung mitgeliefert. Der schelchte Ruf kommt doch von den (von Ihnen angepriesenen) „hellen“ Mehlen. Und das zurecht. Nur weil sich noch letzte Spurenelemente von Vitaminen und Ballaststoffen darin befinden, ist es doch noch nicht gleich gesund. Wir essen seit dem zweiten Weltkrieg haltbar-gemachtes Mehl, welches, damit es nicht ranzig werden kann und sich undustriell leichter verarbeiten lässt, seines Keimes und seiner wertvollen Randschichten beraubt wird.
Ob dies mit der Zunahme von Glutenunverträglichkeit in Zusammenhang steht, sollte mal untersucht werden.
Hallo bin von Weizenmehl auf Dinkelmehl umgestiegen weil ich gegen Weizen allergisch bin
Gruß Petra Schäfer