Professor Nöhles Essensalltag
Es steht in allerlei Magazinen und „Ratgebern“: so ein bis zwei Mal im Jahr müsse man seinen Körper von innen reinigen und so richtig entschlacken, am besten in Form einer Entschlackungskur. Danach ginge es einem gleich viel besser. Man fühle sich jung und voller Spannkraft, weil nun befreit von Giften und Altlasten, die sich so mit der Zeit im Körper ansammeln – eben den Schlacken.
Durch diese Entschlackung würde der Darm „entlastet“ oder „gereinigt“ und das Immunsystem wieder auf „Vordermann“ gebracht sowie „neue Abwehrstoffe“ gebildet werden. Gifte aus der Umwelt, „Ablagerungen“ aus säurebildenden Lebensmitteln bis hin zu „Medikamentenrückständen und „Alkoholrückständen“, die sich im Körper angesammelt hätten, würden aus dem Körper wieder ausgeschleust.
Als „Schlacken“ definieren die Autoren aus zahlreichen nicht wissenschaftlichen Magazinen Ansammlungen von Pflanzenschutzmittelrückständen, Schwermetalle aus der Umwelt, Amalgam aus Zahnfüllungen, aber auch körpereigene Substanzen wie Cholesterin, Harnsäuren und die Bestandteile von Gallen-, Nieren- und Blasensteinen.
Als Entschlackungsmaßnahmen werden propagiert: Fastenkuren, Einläufe (in den Darm), Schwitzkuren, Anwendungen von Pflastern, die die Schadstoffe „aus dem Körper ziehen“ (Cantharidenpflaster) bis hin zu so genannten „Detox-Kuren“. Diese Kuren sollen durch Einnahme bestimmter Lebensmittel den Schadstoffen den Garaus machen, angefangen von grünem Tee über „grüne Fruchtsäfte“ als „Chlorophyll-Auffüller“ und endend bei „Detox-Chips“ mit allerlei Gewürzen. Inzwischen gibt es ganze Tages- und Wochenmenüs zum Beispiel ab 51 Euro pro Tag. Und wenn Sie lange genug suchen, finden Sie auch Detox-Produkte, die angeblich Ihre Cellulite verschwinden lassen. Und für den Fall, dass Sie demnächst heiraten wollen, gibt es doch tatsächlich die „Wedding Detox Kur“ ab 799 Euro mit Hilfe derer Sie – wenn Sie rechtzeitig beginnen – das „perfekte Aussehen an Ihrem großen Tag“ herbei schaffen.
Unser Körper ist kein Verbrennungsmotor
Ja, lieber Leser, Sie ahnen es schon. „Schlacken“ gibt es im menschlichen Körper nicht.
Unser Körper ist auch kein Verbrennungsmotor, kein Hochofen und auch kein Feststoffofen. Es gibt bei uns nichts zu reinigen, denn alle Vorgänge im menschlichen Körper laufen in Form von biochemischen Kreisläufen ab, ohne Rückstände wie in einem alten Kanonenofen zu hinterlassen, den der Schornsteinfeger einmal im Jahr durchpusten muss.
Unbestritten aber lagern sich im Fettgewebe des Menschen fettlösliche Umweltkontaminanten ab, in der Lunge von Rauchern allerlei Teerbestandteile aus dem Zigarettenrauch und in den Gallengängen in der Tat Salze von organischen Säuren. Nur werden diese leider nicht durch Teetrinken, Schwitzen oder mittels Pflaster wieder „ausgeschleust“. Schade eigentlich.
Der Begriff „Entschlackung“ entstammt denn auch aus der Alternativmedizin, die keine wissenschaftlichen Maßstäbe anlegt und keinen Wirkungsnachweis einfordert. So findet sich daher in etlichen Anleitungen der Hinweis, dass „man daran glauben“ muss.
Also die ganze „Entschlackung“ völlig ohne Nutzen und alles nur Hirngespinst? Nein, nicht ganz. Die „Kuren“ empfehlen auch stets, auf mehr Ruhe im Tagesablauf zu achten, sich regelmäßig zu bewegen, sich eher leicht unterkalorisch zu ernähren und viel zu trinken. Na, das kommt Ihnen jetzt aber bekannt vor! Bewusst essen und leben. Und wenn Sie das bis zu Ihrer Hochzeit durchhalten, werden Sie tatsächlich besser aussehen als ein Kettenraucher.
„Alle Vorgänge im menschlichen Körper laufen in Form von biochemischen Kreisläufen ab…“. Die Bio-Physik hat demnach keinerlei Einfluss. Das schließen Sie offenbar kategorisch aus. Ist ja auch nicht Ihr Fachgebiet. Interdisziplinäres Arbeiten verkompliziert ja auch nur die selbstlose Aufklärung.
Nachweislich funktionierende Entschlackung müssten Sie dann folgerichtig mit dem Placebo-Effekt erklären. Angenehm.