Ein Gastbeitrag von Anne-Kristin Barth, Verband Deutscher Mühlen e.V.
Immer wieder liest man vom inhaltslosen, ballaststofffreien Weißmehl und den daraus hergestellten Produkten wie Weißbrot. Egal ob im Netz, in den Medien, bei (selbsternannten) Experten oder bei der ernährungsbewussten Freundin auf der Couch: Weißmehlprodukte, wie Weißbrot und Schrippen haben es schwer. Doch halt: Es ist an der Zeit, mit der Mär vom inhaltsleeren Mehl und Brot und den bösen Kohlenhydraten aufzuräumen.
Momentan sind auch die Kohlenhydrate böse
Nun zu den Kohlenhydraten: „Denn Weißbrot enthält (…) sehr viele Kohlenhydrate“, schrieb kürzlich die BILD-Zeitung. Aha! Sollte es das nicht auch? Ich zumindest wäre skeptisch, würde Brot als Getreideprodukt nicht überwiegend Kohlenhydrate enthalten! Ich glaube aber, die Motivation in diesem Satz ist eine andere: Denn zurzeit ist Kohlenhydrate-Mobbing ziemlich in. Sie werden verantwortlich gemacht für Übergewicht und was weiß ich nicht noch alles. Kohlenhydratfrei: Das ist Trend.
Kohlenhydrate – und das vergessen viele moderne Ernährungspopulisten – gehören neben Eiweiß und Fett zu den drei Makronährstoffen und sind Grundlage unserer Ernährung. Würden wir sie nicht brauchen, wieso haben wir dann bereits im Mund Enzyme, die sie helfen zu verarbeiten? Bedenkenswert! Zudem beschreibt der Begriff Kohlenhydrate chemisch ganz unterschiedliche Substanzen, die aber häufig alle undifferenziert in einen Topf geworfen werden. Zu Kohlenhydraten zählen zum einen die löslichen und unlöslichen Ballaststoffe. Diese sind nachweislich gesundheitsförderlich, gelten als Präventionsfaktor u.a. für Magen- und Dickdarmkrebs, Bluthochdruck, Übergewicht und Zuckerkrankheit. Daher empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung auch 30 Gramm am Tag (durchschnittlich liegt die Aufnahme in Deutschland bei 20 Gramm). Des Weiteren gehören dazu Polysaccharide (z.B. Stärke), Lactose (Milchzucker), Fructose (Fruchtzucker), Saccharose (Haushaltszucker) und Glucose (Traubenzucker). Laut DGE sollte der Kohlenhydratanteil in der Ernährung bei 50 bis 55 Prozent liegen, also gut die Hälfte der täglichen Verzehrmenge ausmachen. Und das hat gute Gründe: Der Körper baut Kohlenhydrate schnell und einfach in seinen Grundbaustein Glucose um. Gehirn und rote Blutkörperchen beispielsweise können ausschließlich mit Glucose funktionieren. Allein unser Gehirn verbraucht bei nur zwei Prozent Gewichtsanteil 20 Prozent Energie vom Grundumsatz. Aber auch unsere Muskeln haben gern die leicht verfügbare Energie. Getreide und damit auch Brot sind gute Kohlenhydratlieferanten. Nun ist der Gehalt an den Makronährstoffen Stärke – Kohlenhydrate und Eiweiß ist in hellen Mehlen höher als in Vollkornprodukten. Ihnen fehlen eben Teile der Randschichten. Dafür haben sie die gewollten, guten Backeigenschaften und sind damit Garanten für weiche, luftige Brote und Brötchen, die wir so lieben.
Sich ausgewogen ernähren – Brot gehört dazu
Und noch mal zum Thema Übergewicht: Die Ursachen für sein Entstehen sind oft multifaktoriell, sprich: bei vielen Menschen das Resultat aus verschiedenen Einflüssen wie falschen Essgewohnheiten, mangelnder Bewegung, Stress, genetischer Disposition, Stoffwechselstörungen, Hormonen, Medikamenten und vielen mehr. Oft kann gar nicht EIN Grund dafür verantwortlich gemacht werden. Wäre ja auch zu leicht und so die Adipositas-Epidemie mit dem Verbot von Kohlenhydraten in wenigen Jahren verschwunden. Doch selbst die Ernährungswissenschaft hat bis dato keine wirklich schlüssige Antwort auf die Frage, warum in den Industriestaaten die Menschen immer dicker werden. Es ist naiv zu glauben, einen einzigen Buhmann dafür in die Ecke stellen zu können. Der gewöhnliche Übergewichtige kann abnehmen, wenn er weniger Energie aufnimmt als verbraucht wird oder mehr Energie verbraucht, als er aufnimmt. Dabei ist es vollkommen egal, ob die Diät kohlenhydrat-, fett- oder eiweißbetont ist. Am Ende ist der Gewichtsverlust vergleichbar. Eine dauerhafte Ernährungsumstellung mit langfristiger Gewichtsnormalisierung funktioniert vor allem dann – das zeigen Studien – wenn die Ernährungsweise auf die Dauer durchhaltbar und lebensnah ist. In Deutschland gehört Brot mit über 300 Sorten sicherlich zu einer guten Esskultur und Lebensqualität dazu. Ein bisschen mehr gesunder Menschenverstand beim Thema Ernährung und weniger Hinhorchen auf pseudoreligiöse Ernährungsbotschaften von Gesundheitsgurus, Starköchen und selbsternannten Experten täten uns sicherlich gut. Dann könnten wir endlich wieder auf unseren Bauch hören, der uns eben auch manchmal sagt: Jetzt ist Zeit für eine Weißbrotstulle mit Käse.
…da muss man dann auch mal schauen, wer hier das Brotessen als gesund erklärt…