Professor Nöhles Essensalltag
Seit Wochen ist schönes Wetter und es wird gegrillt und gebraten was der Grill oder auch die Pfanne hergeben. Die erste Einkaufsentscheidung: Frischfleisch oder Würstchen?
Bei den Würstchen gibt es eine nahezu unendliche Auswahl. Doch was ist eigentlich eine Wurst?
Wurstwaren sind bestimmte, unter Verwendung von geschmackgebenden und/oder technologisch begründeten Zutaten zubereitete, schnittfeste oder streichfähige Gemenge aus zerkleinertem Fleisch sowie sortenbezogen teilweise auch Innereien. Sie können geräuchert oder ungeräuchert in Hüllen (Wurstdarm) oder auch in anderen Behältnissen (zum Beispiel in Kunststoffbechern) hergestellt werden.
Sie können als Rohwurst in der Regel umgerötet, ungekühlt (über +10°C) lagerfähig, roh zum Verzehr gelangen oder auch nach einer Austrocknung in gereiftem Zustand. Umröten bezeichnet den Vorgang beim Pökeln, den das Fleisch braucht um vollkommen rot zu werden beziehungsweise um sich nicht grau zu verfärben.
Brühwurst hingegen ist eine durch Brühen, Backen, Braten oder auf andere Weise hitzebehandelte Wurstware. Bei ihr wurde zerkleinertes rohes Fleisch mit Kochsalz und gegebenenfalls anderen technologisch notwendigen Salzen, meist unter Zusatz von Trinkwasser (oder Eis), ganz oder teilweise aufgeschlossen und ihr Muskeleiweiß ist bei der Hitzebehandlung mehr oder weniger zusammenhängend geronnen, sodass die Erzeugnisse bei etwaigem erneutem Erhitzen schnittfest bleiben. Davon zu unterscheiden sind die Brühwursthalbfabrikate, die roh in den Verkehr kommen, aber dazu bestimmt sind, vor dem Verzehr durch Brühen, Backen, Braten oder auf andere Weise hitzebehandelt und dabei schnittfest werden.
Eine Kochwurst hingegen ist eine hitzebehandelte Wurstware, die vorwiegend aus gekochtem Ausgangsmaterial hergestellt wird. Nur wenn Blut, Leber und Fettgewebe hier überwiegen, kann der Anteil an rohem Ausgangsmaterial höher sein als der gekochte. Kochwürste sind in der Regel. nur im erkalteten Zustand schnittfähig.
Ja, und was ist nun endlich eine Bratwurst? Das sind die eben genannten Rohwürste, Brühwürste, Brühwursthalbfabrikate und Kochwürste, wenn sie zum Braten oder auch zum Grillen bestimmt sind. Die Bezeichnung Grillwurst stellt ein Synonym zur Bratwurst dar.
Und je nach Region gibt es dutzende (!) Varianten. Deutschland ist nämlich weltweit nicht nur das Land mit den meisten Brotsorten, sondern auch das Land mit den meisten Wurstsorten. Tradition muss sein.
Also ehrlich – wer soll denn da jetzt noch durchsteigen und wo stehen diese ganzen Grundsätze eigentlich?
Verbraucher müssen da nicht jedes Detail kennen, aber der Fleischermeister muss es schon – und er kann es auch. Das ganze steht in den Leitsätzen für Fleisch und Fleischerzeugnisse und die kennt der Fleischer ganz genau. Diese Leitsätze stellen den sogenannten „redlichen Handelsbrauch“ dar und der Fleischer hat sich daran zu halten.
Sie als Verbraucher verlassen sich stattdessen auf die richtige Deklaration auf dem Etikett derjenigen Wurst, die sie ausgewählt haben – und auch diese ist in den Leitsätzen genau geregelt – und zwar für folgende gruppierte Produkte:
- Bauernbratwurst, geräucherte Bratwurst
- Kalbsbratwurst
- Grobe Bratwurst, Schweinsbratwurst, Fränkische Bratwurst, Pfälzer Bratwurst, Hessische Bratwurst, Rostbratwurst, Rheinische Bratwurst (grob)
- Bratwurst, Rheinische Bratwurst, Schlesische Bratwurst, Rostbratwurst (fein zerkleinert)
Diese unterscheiden sich im Wesentlichen in der Zusammensetzung bezüglich
- der Tierart (Rind/Schwein/Geflügel, gegebenenfalls auch Mischungen daraus, gegebenenfalls entsehnt und/oder entfettet),
- dem Anteil an bindegewebseiweißfreiem Fleischeiweiß
- zum Teil dem Kaliber der Wurst (Durchmesser, Länge, Gewicht).
Die sich daraus ergebenden ernährungsphysiologischen Daten (Energie, Fettgehalt) finden Sie auf dem Etikett. Der Fettgehalt von Bratwürsten liegt meist zwischen 20 und 35%.
Der wichtigste Vertreter in Norddeutschland und im Berliner Raum ist die
- Currybratwurst, das ist eine Brühwurst aus Schweinefleisch mit Speck.
Dann gibt es da noch die geschützten geografischen Angaben bestimmter Würste mit genau beschriebener Zusammensetzung oder Herstellweise. Bei Bratwürsten sind es die
- Nürnberger Rostbratwurst: Das ist eine Brühwurst aus Schweinefleisch mit Kochsalz und insbesondere Majoran und einer feinen Körnung von 3mm im Schafsaitling mit einem Durchmesser von 15mm bei einem Stückgewicht von 20 bis 25g und einer Länge von 7 bis 9cm.
- Nürnberger Bratwurst: Ähnlich wie die Rostbratwurst, jedoch aus Schweinefleisch und Bratwurstgrundbrät, mit einer Körnung von 5 mm und einem Stückgewicht von 40g.
- Thüringer Rostbratwurst: Gemäß des Amtsblatts der EU aus grob entfettetem Schweinefleisch, Schweinebacken ohne Schwarte, eventuell. entsehntem Kalb- oder Rindfleisch für das Brät und nicht umgerötet. Die Gewürzmischungen variieren je nach überlieferter Rezeptur oder regionaler Ausprägung: Neben Salz und Pfeffer werden insbesondere Kümmel, Majoran und Knoblauch verwendet. Der Fettgehalt beträgt 20 % (±5%). Es sind mindestens 15 bis20 cm lange, mittelfeine Würste im engen Naturdarm (Schweinedarm oder Schafsaitling), roh oder gebrüht und mit herzhaft würziger Geschmacksnote. Das Stückgewicht beträgt 100 bis 150g.
Na, ganz schön anstrengend, so eine Wurstmacherei. Und falls Sie beim nächsten Grillnachmittag unter Langeweile leiden, lesen Sie doch einfach einmal diese Leitsätze für Fleisch- und Fleischerzeugnisse durch – sind nur lächerliche 68 Seiten!
Sollten Sie aber schlagartig doch keine Langeweile mehr verspüren, können Sie die Wurst natürlich auch einfach so genießen – Ihr Fleischer kümmert sich um den Rest.