Professor Nöhles Essensalltag
Es wird langsam Winter und es naht die Suppenzeit. Wenn es denn draußen schon kalt ist, möchte ich wenigstens etwas Warmes im Bauch haben. Mindestens 1.400 Suppen gibt es in Deutschland – vielleicht auch mehr – je nach Region mit völlig unterschiedlichen Rezepturen, tausende weitere Rezepte außerhalb Deutschlands. Sie müssen sich also entscheiden.
Allen Suppen dient als Grundlage eine Brühe, die durch Auskochen von Knochen, Fleisch oder Gemüse hergestellt wird. Die weitere Bearbeitung dieser Brühe entscheidet dann über die Namensgebung und natürlich den Geschmack und das Sättigungsgefühl.
Die erste Ebene unterscheidet zwischen klaren Suppen und gebundenen Suppen.
1. Die klaren Suppen
Zu den klaren Suppen gehören die Kraftbrühen aus vorbezeichneter Brühe und dem so genannten Klärfleisch, wie z.B. Rind- oder Geflügelfleisch, auch Consommé genannt. Eine Doppelte Kraftbrühe enthält die doppelte Menge an Klärfleisch, nennt sich auf der Speisenkarte folglich Consommé double. Die Brühen gibt es als helle Brühe meist aus Geflügel und als dunkle Brühe aus Rind, Wild oder auch aus Ochsenschwanz. Eine Brühe ausschließlich aus Rind heißt Boullion, eine Brühe aus anderen Rohstoffen ist ein Fond. Eine Brühe, die tatsächlich aus ausgekochten Ochsenschwänzen hergestellt wird, heißt Echte klare Ochsenschwanzsuppe. Ein klare Suppe mit Einlage ist eine Brühe, in die z.B. Nudeln, Griessnockerln, Leberknödel oder andere Lebensmittel „eingelegt“ sind, nach denen die Suppe meist auch benannt wird.
2. Die gebundenen Suppen
Darunter versteht man alle Suppen, die mit Bindemitteln gebunden sind.
2.1 Püreesuppen werden – ohne Mehlschwitze und ohne Sahnezugabe – durch die im Lebensmittel arteigen vorkommende Stärke gebunden. Beste Beispiele sind die Linsen-, Erbsen-, Bohnen- oder Kartoffelsuppe. Wird die Stärke aber separat zugegeben, dann haben wir es mit einer
2.2 Creme- oder Rahmsuppe zu tun. Hier wird mittels Mehlschwitze die Brühe angedickt und das Ganze mit Sahne verfeinert. Die Klassiker sind die Spargelcreme-, Tomatencreme- und die Champignoncremesuppe. Wird die Suppe mit einem Schneebesen aufgeschlagen und vielleicht noch etwas Sahne untergerührt, so spricht der Küchenchef von Montieren. Verwendet man Rohstoffe, die eher gar keine arteigene Stärke enthalten, so ergibt sich eine
2.3 Schleimsuppe, wegen des Namens besser auf Französisch Velouté genannt. Einer klassischen Hühnersuppe, die etwas gebunden werden soll, gibt man meist etwas Reis hinzu. Aus Ihrer Kindheit vielleicht noch bekannt ist die Haferschleimsuppe, eine Brühe, die mit Haferstärke angedickt wurde. Bindet man eine der klassischen klaren Kraftbrühen mit Stärke an, dann ergibt sich eine
2.4 Gebundene Kraftbrühe, auch dazu gehört z.B. die Ochsenschwanzsuppe – aber nicht zu verwechseln mit der nicht angedickten Variante, der Klaren Ochsenschwanzsuppe.
2.5 Gemüsesuppe ist eine gebundene Suppen aus angeschwitztem Gemüse, welches dann mit Brühe aufgegossen wird.
2.6 Eintöpfe sind eigentlich keine Suppen, weil sie nicht aus oder mit einer Brühe hergestellt werden. Vielmehr werden Gemüse, ggf. Fleisch, Fisch, ggf. bindende Zutaten zusammen eingekocht.
2.7 Kaltschalen sind auch keine Suppen im klassischen Sinne, weil ebenfalls ohne Brühe her gestellt. Hier werden letztlich flüssige Lebensmittel auf Milch-, Obst- oder auch auf Bierbasis zu einer suppenähnlichen Speise zusammen gerührt.
Und von den rund 1.400 Suppen und suppenähnlichen Erzeugnissen hier ein paar bekannte:
- Eine Mockturtle ist eine falsche Schildkrötensuppe (engl: mock = nachgemacht, turtle = Schildkröte), bei der das Schildkrötenfleisch durch Kopffleisch vom Rind ersetzt wurde.
- Eine Hamburger Aalsuppe ist eigentlich ein reichhaltiges Resteessen aus einer Brühe von ausgekochten Knochen von Räucherschinken mit zahlreichen Gemüsen, Erbsen, Backpflaumen, teils mit Mehlschwitze angedickt und – wenn vorhanden – auch mit Aalresten versetzt.
- Der Pichelsteiner Eintopf
wird aus angebratenem Fleisch mit gewürfeltem Gemüse und Lauch in einer Fleischbrühe gegart.
- Eine Hochzeitssuppe ist eine klare Suppe mit Fleischeinlage aus Hühnerfleisch, Fleischklößchen und je nach Region auch mit Eierstich, meist angereichert mit Rosinen. Es gibt sie tatsächlich anlässlich von Hochzeiten.
- „Tütensuppen“ sind natürlich keine eigene Kategorie, sondern ein Convenience-Produkt, bei dem die verschiedenen Zutaten durch Instantisierung (Trocknung) und unter Verwendung von modifizierter Stärke so zusammen gesetzt werden, dass sie innerhalb weniger Minuten nach Aufgießen mit heißem Wasser alle zur gleichen Zeit gar – und damit very convenient sind.
Für „ausländische Suppen“ hier einige Beispiele, die Sie aber alle schon einmal irgendwo gehört haben:
Großbritannien: Eine Mullygatawny (tamilisch: Pfefferwasser) stammt eigentlich aus Indien und ist eine gebundene Suppe aus Fleischbrühe, Hühnerfleisch, Reis, Currypulver und Muskatnuss.
Frankreich: Unter Bouillabaisse verstehen unsere französischen Nachbarn eine Fischsuppe aus gewürfelten Fischen des Mittelmeeres, die in einem Sud von Zwiebeln, Knoblauch, Fenchel und verschiedensten Blatt- und Samengewürzen porchiert, aber niemals gekocht werden. Der Fisch muss bissfest bleiben.
Spanien: Eine Gazpacho ist eine pürierte Suppe aus Tomaten, Weißbrot, grünem Paprika, Salatgurken, Knoblauch, Olivenöl, Essig, Salz und Wasser, die gerne auch geeist serviert wird.
Italien: Die Minestrone ist eine Gemüsesuppe aus Staudensellerie und verschiedenen Gemüsen, mit oder ohne Fleisch, mit oder ohne Parmesan.
Russland: Eine Soljanka ist eine Gemüsesuppe, die aus sauer eingelegtem Gemüse hergestellt wird und daher einen typisch säuerlichen Geschmack aufweist. Die Borschtsch enthält dagegen insbesondere Rote Bete.
Japan: Die Miso-Suppe enthält Sojabohnenpaste, Tofu, die Algenart Wakame, Zwiebeln und je nach Jahreszeit auch Pilze und ist in Japan die häufigste Vorspeise.
Thailand: Tom Yam haben Sie bestimmt schon einmal während Ihres SO-Asien-Urlaubes gegessen. Sie besteht aus einer Brühe mit Fisch und insbesondere mit Zitronengras, Tamarinde und Chilis, die ihr den typischen säuerlich-scharfen Geschmack verleihen.
Und hier noch eben die wichtigsten Tischregeln:
- Klare Suppen werden in der Tasse oder in der Terrine (mit zwei Henkeln) serviert und mit einem Terrinenlöffel verzehrt. Das ist ein besonders breiter und tiefer Löffel, der keinesfalls in den Mund genommen wird (dazu ist er auch viel zu groß), sondern von dem man die Brühe seitlich zum Munde führt. Aus allen Suppengefäßen, die einen Henkel haben, darf die klare (!) Suppe zum Schluss getrunken werden. Nicht vergessen: Unter Terrine versteht man aber auch eine Pastete ohne Teigmantel, wie sie in Frankreich gerne als Vorspeise gegessen wird.
- Gebundene Suppen und Suppen mit Einlage werden dagegen mit einem flachen Löffel aufgenommen und der Löffel wird in den Mund geführt.
- Klare Suppen mit Einlage werden im Restaurant auf einen tiefen Teller mittels einer Vorlage vorgelegt und nicht etwa mit einer Suppenkelle aufgefüllt.
- Gebundene Suppen werden dagegen aus einer Suppenschüssel mittels eines Schöpflöffels auf den Teller gefüllt.
- Ist die Suppe noch zu heiß, wird bitte nicht „gepustet“, sondern man wartet, bis sie abgekühlt ist.
- Suppenteller, Suppentassen und Terrinen werden stets auf einen Unterteller gestellt, auf dem auch der Suppenlöffel am Ende abgelegt wird.
So, jetzt haben Sie ungefähr 0,01% des Suppenwissens dieser Welt. Eine Suppe ist die „künstlerische“ Visitenkarte der Küche: sie zeigt, was es in dem jeweiligen Land an Lebensmitteln meist im Überfluss gibt, wird oftmals aus „Resten“ komponiert, und ihre Rezeptur kann je nach Verfügbarkeit der Rohstoffe quasi täglich wechseln.
Es gibt also noch viel zu probieren!
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