Professor Nöhles Essensalltag
Es ist Dezember – und jetzt wird gebacken, was der Ofen hergibt. Plätzchen, Printen, Oblaten, Spekulatius, Stollen, Marzipan-Köstlichkeiten aller Art. Doch was genau backen Sie da eigentlich?
Fangen wir mit den „einfachen“ Zusammenhängen an. Zur Herstellung von Marzipan „röstet“ der Konditor zwei Teile Mandelkerne, die von der Samenhaut befreit wurden, mit einem Teil Puderzucker „ab“. Dabei wird die so gewonnenen Masse über Dampf erhitzt und der Wassergehalt verringert. Das ergibt die Marzipanrohmasse. Diese wiederum mit einem weiteren Teil Zucker im Verhältnis 1:1 „angewirkt“, d.h. vermischt und geknetet, ergibt dann das Marzipan. Marzipan schmeckt wegen des höheren Zuckergehaltes folglich deutlich süßer als Marzipanrohmasse. Wenn Sie also ein Gebäck, welches an sich schon süß schmeckt, mit Marzipan veredeln wollen, dann nehmen Sie besser Marzipanrohmasse, sonst wird Ihnen das Ganze zu süß.
„Niederegger Marzipan“ besteht z.B. nur aus Marzipanrohmasse und schmeckt eben aus diesem Grunde weniger süß. „Lübecker Edelmarzipan“ wird aus 90% Rohmasse und 10% zusätzlichem Zucker hergestellt. „Grünes Marzipan“ enthält 4 bis 8 % Pistazien.
Wenn Sie keine Mandelkerne zur Hand haben oder Ihnen diese zu teuer sind, nehmen Sie statt dessen entbitterte Aprikosenkerne, dann nennt sich das ganze aber Persipan. Dieses Produkt wird meist für Backwaren, bei denen der Mandelgeschmack nicht im Vordergrund steht, oder auch für Dominosteine verwendet. Diese Steine sind nichts anderes als gefüllte und mit Schokolade überzogene braune Lebkuchen, die neben dem Lebkuchen aus mindestens einer Lage einer Fruchtzubereitung und einer weiteren Lage aus Persipan bestehen. Nimmt man aber hier statt Persipan wiederum Marzipan, so dürfen sich diese edlen Steine „Feinste Dominosteine“ nennen.
Der vorgenannte Lebkuchen gehört zu den Dauerbackwaren und wird aus Getreidearten und/oder Stärken her gestellt und enthält mindestens 50% Zuckerarten.
Feine Braune Lebkuchen enthalten mindestens 10% Mandeln, Haselnüsse oder Walnüsse, Feinste Braune Lebkuchen enthalten davon mindestens aber 20% und bei Honigkuchen besteht die Hälfte der oben genannten Zuckerarten eben aus Honig.
Printen sind nicht etwa Lebkuchen aus dem 3D-printer, sondern knusprig-harte oder auch saftig-weiche Braune Lebkuchen, die mindestens 80 Teile Zuckerarten auf 100 Teile Getreideerzeugnisse enthalten, also bewusst recht süß sind. Besonders charakteristisch sind ungelöste braune Kandiszuckerkrümel, die den typisch „knirschenden“ Eindruck beim Verzehr hinterlassen.
Feine Printen sind mit mindestens 25% Schokoladearten überzogen.
Feinste Printen enthalten darüber hinaus mindestens 15% Hasel-, Walnüsse oder Mandeln.
Pfeffernüsse enthalten keinen Pfeffer, Pflastersteine weder Pflaster noch Steine und Magenbrot auch keinen Magen – es sind nichts anderes als Braune Lebkuchen mit besonderer Würzung meist als regionale Spezialität.
So, jetzt wird’s kulinarisch durchaus anstrengend, denn das Ganze gibt es jetzt auch noch einmal für auf Oblaten gebackene Lebkuchen.
Eine Oblate ist eine dünne, blattartige Masse aus Weizenmehl und/oder Stärken, die zwischen erhitzten Flächen gebacken wird. Selbige unter einem Lebkuchen führt dann zum Oblaten-Lebkuchen, der dann aber aus mindestens 7% Ölsamen und zur Hälfte aus Mandeln oder Hasel- und Walnüssen bestehen muss.
Bei Feinen Oblaten-Lebkuchen verdoppelt sich dieser Anteil auf 14%.
Ein Haselnuss-Lebkuchen enthält mindestens 20% Haselnüsse in der Lebkuchenmasse.
Ein Elisenlebkuchen oder auch Extra feiner Oblaten-Lebkuchen enthält mindestens 25% Haselnüsse, Walnüsse oder Mandeln.
Ein Weisser Lebkuchen enthält mindestens 15% Vollei und max. 40% Getreideerzeugnisse.
Sie sehen, kleinste Kleinigkeiten entscheiden über Geschmack und Preis. Ein scharfer Blick auf das Etikett ist hier lebensentscheidend. Wenn Ihnen also nächstes Mal eine dieser wunderschönen Backwaren als „zu süß“ vorkommt, genau hinsehen, verstehen und dann next time vielleicht eine höhere Qualitätsstufe auswählen, denn damit steigt der Anteil der wertgebenden Inhaltsstoffe wie Mandeln und Nüsse und es sinkt damit zusammenhängend der Zuckeranteil. Ganz einfach also, aber eben nicht umsonst.
So, jetzt haben Sie drei Möglichkeiten der vorweihnachtlichen Lebensgestaltung:
- Sie backen ab jetzt bis Weihnachten durch und sind Heilig Abend stolz, aber erschöpft.
- Sie kaufen sich alles im Supermarkt, aber gucken bitteschön sehr genau hin, was da auf der Verpackung steht und sagen nicht mehr, dass Sie das alles nicht gewusst haben konnten. Sie konnten.
- Sie machen keines von beidem, sondern lassen sich von den Kollegen und Kolleginnen mit dem tollsten, ggf. selbst gebackenem Weihnachtsgebäck beglücken, stellen aber jedes Mal eine andere schwierige Insider-Frage nach dem Mandelgehalt und der dazu gehörenden Verkehrsbezeichnung des Gebäcks und hinterlassen auch auf diesem Gebiet einen sehr fachkundigen Eindruck.
Die Sache mit dem Dresdner Stollen klären wir präventiv beim nächsten Mal – nicht, dass da noch jemand qualifiziert kontert.