Professor Nöhles Essensalltag
Sie haben es in der Adventszeit alle schon bemerkt: es gibt Weihnachtsstollen, die schmecken eher trocken oder sehr süß… und dann gibt es da welche, die vermitteln ein samtweiches Mundgefühl, sind saftig und meist weniger süß, mandelig oder nussig, so dass Sie sie regelrecht „reinsetzen könnten“ und ihn wie Brot einfach wegessen.
Woran liegt’s und wo steht’s?
Ein Stollen gehört zu den so genannten Feinen Backwaren und der redliche Handelsbrauch für derlei Erzeugnisse ist definiert in den „Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuches“. Dort steht genau, was der Bäcker oder der Lebensmittelhersteller zu tun und zu lassen hat, wenn er das Produkt „Stollen“ backen will.
Ganz allgemein ist ein Stollen ein schweres, fettreiches und süßes Hefegebäck. Er enthält mindestens 30 kg Butter, Milchfetterzeugnisse (dazu zählt z.B. Butterreinfett) oder Margarine sowie 60 kg Trockenfrüchte (also Rosinen, Sultaninen, Korinthen, auch Orangeat und Zitronat) bezogen auf 100 kg Getreideerzeugnisse und/oder Stärken. Ein „einfacher“ Stollen darf also auch ausschließlich aus Margarine als fettgebende Zutat gebacken werden. Auch Nuss- und Mandelkern müssen bei dieser einfachsten Variante nicht enthalten sein… Ja, da sind sie wieder, die kleinen, aber sehr feinen Unterschiede des Lebensmittelhandwerks.
So muss denn auch ein Mandelstollen mindestens 20 kg Mandeln auf 100 kg Getreidemahlerzeugnisse aufweisen – schon schmeckt das ganze völlig anders!
Ein Nussstollen enthält analog 20 kg Nusskerne und schmeckt deswegen nussig.
Der Marzipanstollen enthält mindestens 5% Marzipanrohmasse bezogen auf das Stollenteiggewicht. Aber Achtung, verwendet der Bäcker kein Marzipan, sondern die Variante aus entbitterten Aprikosenkernen, also Persipanrohmasse, dann muss er diesen Stollen als Persipanstollen kennzeichnen.
Ein Mohnstollen enthält mindestens 20 kg Mohn auf 100 kg Getreidemahlerzeugnisse und ist etwas für echte Mohnliebhaber. Eine nicht weihnachtliche Variante ist auch der Quarkstollen mit mindestens 40 kg Speisequark und 20 kg Butter bzw. Milchfetterzeugnisse auf 100 kg Getreidemahlerzeugnisse.
Jetzt wird es langsam edel: Ein Butterstollen muss anstatt der 30 kg in der einfachen Variante jetzt 40 kg Butter oder die entsprechende Menge Butterreinfett auf 100 kg Getreidemahlerzeugnisse enthalten – jedoch keine Margarine. Die Menge der zugegebenen Trockenfrüchte erhöht sich hier von 60 kg auf 70 kg. 10 kg der Trockenfrüchte können hier durch Mandeln oder Marzipan ersetzt werden – aber nicht durch Persipan.
Der Dresdner Stollen, Dresdner Christstollen oder Dresdner Weihnachtsstollen stellt eine „geschützte geografische Angabe“ gemäß EG-Verordnung 510/2006 und ist mit einem entsprechenden EU-Siegel klar erkennbar. Bei den geschützten geografischen Angaben muss mindestens eine der Produktionsstufen (Erzeugung, Verarbeitung oder Herstellung) in der jeweiligen Region durchlaufen worden sein. Bei diesem Stollen wären das die Stadt Dresden und die umliegenden Ortschaften Moritzburg, Radebeul, Arnsdorf, Ottendorf-Okrilla, Radeburg, Coswig, Pirna, Wachau, Freital, Radeberg, Weinböhla, Heidenau.
Folgende Eigenschaften müssen erfüllt werden: Gegenüber dem Butterstollen steigt der Butter- bzw. korrespondierende Milchfettgehalt nochmals von 40 auf 50 kg und der Anteil der Trockenfrüchten setzt sich aus 65 kg Sultaninen, 20 kg Orangeat/Zitronat und mindestens 15% süßen und bitteren Mandeln zusammen. Margarine ist wie schon beim Butterstollen nicht zulässig.
Zusätzlich der ist Stollen mit einem geschützten Siegel des Herstellers einschließlich seines Namens und seiner Kontrollnummer zu versehen.
Bis in das 15. Jahrhundert lässt sich die Tradition des Stollenbackens im geografischen Gebiet des Dresdner Stollens zurückverfolgen. Der Dresdner Striezelmarkt, erstmals 1434 urkundlich erwähnt, kennzeichnete ihn bereits als Striezel. Als „Christstollen“ wurde dieser 1530 in einem Schriftstück des Dresdner Ratsarchivs bezeichnet. Besondere Berühmtheit hat der so genannte „Butterbrief“ von Papst Innozenz VIII (1432 bis 1492) von ca. 1490 erlangt, welcher für die Dresdner Bäcker das, seit 1450 durch päpstlichen Erlass bestehende, Butterbackverbot für die Adventszeit als Fastenzeit aufhob. Seit 1727 wurde der Dresdner Stollen zur Weihnachtszeit am sächsischen Hof August des Starken gereicht, der im Jahre 1730 von den Dresdner Bäckern für das Zeithainer Lustlager mit 24 000 Gästen einen „Riesenstollen“ von 1,8 Tonnen backen ließ.
Also, beim Stollenkauf nicht irgendwo hingreifen und mitnehmen, was irgendwie nach „Rosinenbrot mit Puderzucker“ aussieht, sondern dieses Mal ganz besonders scharf hin sehen und nicht vergessen: „you always get what you pay for“.