Professor Nöhles Essensalltag
Für die einen ist es die kulinarisch schönste Zeit des Jahres, für die anderen schlicht „Spargelterrorismus“. Doch er ist nicht aufzuhalten – der Spargel kommt, und zwar in größerer Menge aus Deutschland als je zuvor. Rund 230.000 t Spargel werden voraussichtlich in diesem Jahr geerntet werden, denn die Nachfrage steigt und immer mehr Landwirte haben den Spargel als einträgliche Feldfrucht erkannt. Früher war Spargel ein Luxusgemüse, heute ist er für jeden erschwinglich.
Die Gattung Asparagus umfasst übrigens mindestens 220 Arten, die in Afrika und Eurasien in warmem bis subtropischem Klima gedeihen. Der Spargel, den wir verzehren, ist der Gemüsespargel Asparagus officinalis L., und wächst (in Deutschland) bekanntlich am besten unter Kunststofftunneln oder unter Folie, eben weil darin ein fast subtropisches Klima simuliert wird.
Asparagus ist ursprünglich ein recht kompliziertes Gewächs. Es beginnt im „Jahr 1“ mit einem Samenkorn, welches in die Erde gepflanzt wird; daraus entsteht nach fünf Wochen der Spargelspross, daraus die Spargeljungpflanze und dann die Spargelpflanze, deren oberirdischer Teil im Herbst verkümmert und dann in die Winterruhe geht. Im „Jahr 2“ wird die Pflanze mit einem Spargelroder gerodet, in Kisten verpackt und zu den Landwirten geschickt. Dann wird die Spargelpflanze in einen Graben gepflanzt und man lässt sie ein weiteres Jahr „ruhen“, d.h., sie wird nicht beerntet. Im „Jahr 3“ dann wächst die Spargelpflanze erneut aus dem Boden heraus, man schneidet die grünen Pflanzentriebe ab und erhält so den grünen Spargel. Grün ist er bekanntlich wegen des grünen Chlorophylls in den Pflanzenzellen, in denen die Photosynthese stattfindet. In den meisten Ländern der Erde ist nur der grüne Spargel bekannt.
In Deutschland und Frankreich wird jedoch der weiße Spargel oder auch Bleichspargel bevorzugt. Eine andere Pflanze? Nein, nur ein kleiner Trick: Vor dem Ausschießen des Spargels häufelt der Landwirt oberhalb des Pflanzgrabens eine ca. 50 cm hohe Schicht aus sandigem, lockeren Boden auf. Durch diese Schicht müssen die Spargeltriebe jetzt zwangsläufig durch. Doch in dieser aufgehäufelten Erdschicht ist es ziemlich dunkel, so dass es nicht zur Photosynthese kommen kann und die Pflanze das grüne Chlorophyll nicht entwickelt. Die logische Folge: Der Schoss bleibt weiß. Jetzt kommt der (geschickte) Spargelstecher. Er deckt die Folie über der Erdaufhäufelung ab und erkennt scharfäugig an feinen Rissen auf der Erde, wo „gleich“ ein Schoss durchbrechen wird, nimmt seinen Spargelstecher und schneidet unterirdisch einen ziemlich genau 24 cm langen Trieb ab – unseren Bleichspargel ! Jetzt verschließt er das Loch wieder mit Erde, denn es kommen ja weitere Triebe (= Spargelstangen), die kein Licht bekommen dürfen, denn sonst würden sie ja grün werden. Wartet der Spargelstecher zu lange und die Spargelköpfe ragen bereits aus dem Boden werden sie zunächst violett und dann auch grün. Und damit das nicht passiert, ist die Folie auch innen immer schwarz.
Soll heißen, der Landwirt schneidet letztlich immer die nachwachsenden Triebe unterirdisch ab. Wie lange soll die Pflanze das wohl aushalten? Denn nur durch die Kohlendioxidfixierung durch Sonnenlicht kann sich die Pflanze weiterentwickeln. Und ohne Sonnenlicht ist die in den Wurzeln während der ersten zwei Lebensjahre gespeicherte Stärke irgendwann „alle“, die Pflanze würde absterben.
Antwort: am 24.Juni – am Johannistag – hat das Spargelstechen ein Ende.
Jetzt wird die Folie entfernt und der Landwirt lässt die Pflanze in Ruhe, denn es sind nur noch ziemlich genau 100 Tage bis zum nächsten Frost. Jetzt schießt die Pflanze nach oben durch, wird grün und speichert via Photosynthese für das nächste Jahr Stärke in den Wurzeln und dann geht alles wieder von vorne los, so ca. 7 Jahre lang. Dann sinkt der Ertrag und die Pflanze wird ausgewechselt gegen eine andere Feldfrucht im Fruchtwechsel.
Mein lieber Scholli, so eine Spargelpflanze hat’s auch nicht leicht mit dem Menschen.
Doch der Fortschritt hat auch hier schon zugeschlagen. Inzwischen hat die Gartenbauwissenschaft einjährige Spargelpflanzen gezüchtet. Wir müssen nicht mehr drei Jahre warten, es geht alles „gleich und sofort“ – einer der Gründe, weshalb sich heute jeder Spargel leisten kann.