Professor Nöhles Essensalltag
Unser Edelgemüse namens Spargel können Sie gekocht ohne weitere Zutaten verzehren. Das macht man z.B. im Oldenburgischen so, indem Sie eine Gabel in die linke Hand nehmen, mit den Fingern der rechten Hand eine Spargelstange auf die Gabel lüpfen und dann den Spargel mit Gabel und den Fingern zum Munde führend abbeißen. Das ergibt den unverfälschten Spargelgenuss. Doch es geht auch anders.
In vielen Gegenden Deutschlands wird Butter zum Spargel gereicht. Da gibt es die aromatische, aus gesäuertem Rahm hergestellte Sauerrahmbutter, die eher nussige Süßrahmbutter und die milchsaure Mildgesäuerte Butter. Ganz vorsichtig über der Herdplatte leicht angebräunt, unterstützt sie harmonisch das Aroma des Spargels.
Wer es etwas kräftiger will, bedient sich einer Buttersauce. Nach deutscher Verkehrsauffassung enthält diese mindestens 30 Gramm Butterfett pro Liter Sauce. Die meisten Buttersaucen stammen ursprünglich aus der französischen Küche – und da gibt es Dutzende:
Sauce hollandaise, auch Holländische Soße genannt, wird hergestellt aus z.B. 180 g Butter, 2 EL Öl, 2 EL Weissweinessig, 50 ml Spargelfond, 100 ml Weißwein, 4 Eigelb, Zwiebeln, Pfeffer, etwas Zucker und Zitronensaft. Das Ganze wird langsam (!) im Wasserbad (!) erwärmt. Vorsichtig mit dem Schneebesen aufschäumend emulgieren Sie jetzt mit Hilfe des natürlichen Lezithins aus dem Ei Wasser in Öl. Das bitte schön vorsichtig, denn wenn Sie zu hoch erhitzen, „bricht“ Ihnen das Ganze, d.h. die Proteine flocken aus. Das ist schon eine kleine Kunst, denn der echten Sauce hollandaise wird keine Stärke zugesetzt, die strukturgebenden Zutaten sind nur Butter, Eigelb und Öl.
Sauce bérnaise, auch Béarner Soße genannt, ähnelt der Sauce hollandaise, sie ist nur mit mehr würzenden Zutaten versetzt, wie z.B. Lorbeer, Estragon und Kerbel; der Buttergehalt ist etwas geringer als bei der Sauce hollandaise. Sie sieht fast wie eine gekochte Remoulade aus, ist aber natürlich keine.
Und jetzt geht es einmal quer durch die französische Küche:
- Sauce dijonnaise kommt einer Sauce bérnaise sehr nahe, ist aber mit (Dijon-)Senf versetzt.
- Sauce Maltaise ist eine Buttersauce mit „roten Zutaten“ wie Cayennepfeffer, Blutorangensaft und geriebener Orangenschale.
- Sauce Vénitienne ist das ganze „in grün“ mit Petersilie, Kerbel, Estragon und Spinat.
- Sauce Mousseline wiederum enthält geschlagene Sahne und wird mit dem Schneebesen verquirlt, ergibt eine „fluffy“ Sauce.
- Orangen-Hollandaise enthält Orangensaft und geriebene Orangenschale.
Das Ganze geht natürlich auch ohne Buttersaucen und stattdessen besonders in südlichen Gefilden mit einer Vinaigrette, wie z.B. bei
- Spargel mit Walnuss-Vinaigrette: hier wird Essig mit Walnussöl, Basilikum, Rauchfleisch nebst Walnusskernen aufgeschlagen.
- Spargel mit Bozener Sauce enthält Schnittlauch, Essig, Olivenöl, Senf und Tiroler Schinkenspeck.
In Bolivien aß ich zu grünem Spargel einmal eine Vinaigrette mit gekochtem Ei, war auch gut. Es soll wohl so an die 600 verschiedener Saucen geben.
Doch wie gesagt, eine Emulsion auf dem Wasserbad mit dem Schneebesen herzustellen, verlangt schon etwas Erfahrung und Fingerspitzengefühl und zeichnet den wahren Meisterkoch aus.
Wenn Sie dazu keine Lust, keine Zeit (oder keine Ahnung?) haben, bietet die Convenience-Industrie eine einfache und vor allem funktionierende (!) Alternative: fertige Saucen aus dem Tetra-Pak oder auch instantisiert aus der Tüte.
Das Produkt im Tetra-Pak ist bereits gebrauchsfertig komponiert und besteht meist aus Pflanzenöl (statt Butter), Eigelb und Essig und den oben jeweils bezeichneten Gewürzen. Zur Stabilisierung enthalten diese Produkte modifizierte Stärke und meist Verdickungsmittel, denn ohne diese Stoffe, würde sich die Sauce wieder separieren. Genau das passiert Ihnen ja auch, wenn Sie Ihre selbst gemachte Buttersauce einige Stunden stehen lassen – sie bricht.
Noch einfacher und günstiger und garantiert gelingsicher geht es mit den instantisierten Produkten. Die enthaltene modifizierte Stärke, Mehl und meist ein Verdickungsmittel wie Johannisbrotkernmehl ergeben hier den „Körper“ der Sauce, nachdem Sie die getrockneten Zutaten mit Wasser auf den ursprünglichen Gehalt rückverdünnt haben. Sie können sich das wie eine Art Mehlschwitze vorstellen. Diese körpergebenden Substanzen nennen wir auf Hochdeutsch bekanntlich auch bodygiver. Und wenn Sie ganz zum Schluss wieder ein anständiges Stück Butter zugeben, haben Sie fast eine „echte“ Buttersauce – Sie müssen Ihre Gästen ja nicht in Ihre letzten Koch-Geheimnisse einweihen.