Professor Nöhles Essensalltag
Es gibt schon wieder eine etwas neue Methode, sein Körpergewicht zu reduzieren: „size zero“. Wie so oft in den USA entstanden, symbolisiert die „Größe 0“ eine US-amerikanische Kleidergröße, die eigentlich nur Teenies passt und unserer Konfektionsgröße 32 entspricht. Zielgruppe sind 18 bis 30jährige junge Frauen, die sich gegenseitig über soziale Netzwerke motivieren und begleiten und unter Einbeziehung einer speziellen käuflichen Diät aus molkepulverbasierten oder milcheiweißbasierten angereicherten Lebensmittelzubereitungen, Aminosäuregemischen und Fischölkapseln ihr Zielgewicht durch hartes Training erreichen. Wie geht das genau? Und geht das wirklich?
„Abgerechnet wird am Strand“ mit diesem ehrgeizigen Slogan und einem dreiteiligen Paket aus Ernährung, (Kraft-)Training und Motivation soll das „Strandgewicht“ innerhalb von 10 Wochen erreicht werden. Der Kunde wählt aus einem breit gefächerten Programm eines sich kontinuierlich anpassenden Ernährungsplanes einschließlich zu kaufender high-Carb und low-Carb-Diäten u.a. bis hin zu vegetarischen oder veganen Einlagen – ganz nach Lebenseinstellung. Doch jetzt kommt der entscheidende Teil. Sie wissen bereits, dass eine nur einfache Kalorienreduktion nicht zu einem dauerhaften Abnehmerfolg führen kann, egal was oder wie wenig Sie kurzfristig essen. Bewegung gehört auch dazu. Und die ist beim „size zero“-Programm durchaus intensiv. Der Kunde kann wählen zwischen dem „einfachen“ Bewegungsprogramm u.a. mit Kurzhanteln bei 5 Trainingseinheiten pro Woche á 30-45 Minuten und einer Intensiv-Variante, genannt „size zero GYM“ über 4-6 Mal pro Woche bei 60 Minuten, die im Fitnessstudio ausgelebt wird. Und wenn ich mir die Demo-Videos der Workouts im Gym ansehe, muss ich feststellen, das ist kein lustiges Herumgehüpfe auf dem Laufband – das ist ein hammerhartes Krafttraining.
Zunächst einmal: Respekt, Respekt.
Als dritte und emotionale Komponente kommt die Mitgliedschaft auf einer geschlossenen Facebook-Seite namens „size zero army“ hinzu. Hier tauschen sich die Teilnehmer (die army) verbal und natürlich mit jeder Menge Fotos von den Erfolgseinheiten aus und motivieren sich gegenseitig nach dem Motto „Du schaffst es“. Am 70. Tag ist dann der krönende Abschluss via Instagram geplant: das „Vorher-Nachher-Strandbikini-Foto“ mit jeder Menge Likes. Ich muss sagen, das hört sich wirklich gut an: bewusst essen, viel bewegen und emotionale Motivation in der Gruppe mit belohnendem Abschluss – das passt im Kopf, denn der innere Schweinehund, der mich von der Bewegung abhält, lauert ja überall, meist auf dem Sofa.
Und jetzt sind wir auch schon bei dem Problem. Nehmen wir an, Sie schaffen dieses sehr ehrgeizige Ziel in 70 Tagen tatsächlich und posten Ihr Gewinner-Foto – was kommt dann? Na ja, der sofortige oder schleichende „Absturz“ in Richtung des alten Gewichts. Die Ernährungsumstellung von normaler Ernährung über high-Carb auf low-Carb in Verbindung mit dem absolut scharfen und kräftezehrenden Körpertraining ist langfristig nicht durchzuhalten. Die Anforderung an die Disziplin, das Trainings- und Ernährungseinschränkungsrogramm täglich zu absolvieren und die Tatsache, nie mit Freunden oder Familie ausgelassen (nicht etwa überkalorisch) essen zu können, führt ganz langsam aber sicher in eine Art Lebenskrise, die entweder in eine Anorexia nervosa münden kann (Achtung – absolut lebensgefährlich) oder wieder eben beim Ausgangszustand endet.
Nur die Allerwenigsten schaffen es, das angestrebte Gewicht oder wenigstens einen für sich selbst erstrebenswerten Zustand darunter langfristig zu erhalten. Nicht umsonst empfiehlt die Initiatorin von „zero size“ eine vorherige ärztliche Untersuchung (!) und lässt Teilnehmer(innen) unter 18 Jahren nicht zum Programm zu. Zumindest das ist schon einmal ein richtiger Ansatz. Aber ganz ehrlich: ein Ernährungsprogramm, für das ich im jugendlichen Alter von 18 Jahren erst einmal zum Arzt muss? Da kann etwas nicht stimmen.
Wie posted eine Teilnehmerin in den zahlreichen „size zero“-Blogs: „Vielleicht schaffe ich es ja eines Tages ganz ohne festen Plan zu einem geregelten Essverhalten“
So, und jetzt berichte ich über den allerneuesten „Kayla Bikini Body Guide“, über „High Carb/Low Fat“, über „Sophia Thiel“, über „IIFYM“ (If it fits your Makros) oder besser über „Vegan/High Carb“?
Nein, mache ich nicht, denn auch das sind alles nur abgewandelte Ernährungsextrema, auf die Ihr Körper spiegelbildlich genau so extrem reagieren wird.
Es tut mir wirklich leid, aber es bleibt dabei: Angemessen essen, was schmeckt und regelmäßige Bewegung, die Spaß macht.
Und falls Sie nicht wussten, wozu diese ganzen Superdiäten auch noch da sind: Dieser Hinweis kostet 299 EUR pro Quartal.