Professor Nöhles Essensalltag
In den Medien sind ständig Missverständnisse um das so genannte „Identitätskennzeichen“, früher auch „Genusstauglichkeitskennzeichen“, zu beobachten. Findige Verbraucher stellen fest, dass der Inhalt gar nicht aus dem Betrieb komme, der durch die Nummer im Oval angegeben sei – also alles Mauschelei?
Dieses Zeichen ist das so genannte Identitätskennzeichen auf Milch-, Fleisch-, Fisch- und Eiprodukten, bei denen die zuständigen Überwachungsbehörden nach Prüfung vor Ort festgestellt haben, dass der jeweilige Hersteller in der EU oder in assoziierten Wirtschaftsräumen (wie z.B. in der Europäischen Wirtschaftsraum Schweiz, Norwegen, Island) nach den europäischen Hygieneverordnungen produziert.
Oben in dem Oval steht die Abkürzung für das jeweilige Land des Herstellers gemäß ISO 3166 (also die EU-Mitgliedstaaten: AT, BE, BG, CY, CZ, DA, DE, EE, EL, ES, FI, FR, HU, HR, IE, IT, LT, LU, LV, MT, NL, PL, PT, RO, SE, SI, SK, UK bzw. das EAA-Land: IS, NO, so wie per Sondervereinbarung: CH, FO, GL und SM).
Jetzt sagen Sie aber nicht, Sie würden die Länder nach ISO-Kennzeichen nicht kennen, das würde mich enttäuschen. FO steht z.B. für die Färöer-Inseln, denn dort wird ziemlich viel Fisch für die EU verarbeitet. SM ist nicht Sado-Maso, sondern San Marino, auch dort gibt es noch den einen oder anderen Lebensmittelhersteller.
Ganz unten steht die Abkürzung für die Europäische Gemeinschaft – aber in der jeweiligen Landessprache des Herstellbetriebes (also: CE, EB, EC, EF, EG, EK, EO, EY, ES, EÜ, EK, WE).
In der Mitte steht die Identifikation des Herstellbetriebes in dem jeweiligen Land; in Deutschland gekennzeichnet durch die Abkürzung des jeweiligen Bundeslandes ( also: BB, BE, BW, BY, HB, HE, HH, MV, NI, NW, RP, SH, SL, SN, ST, TH) gefolgt von einer Nummer für den Betrieb.
Über allerlei Apps lassen sich aus diesen Nummern die Adressen der Betriebe auslesen.
Das Ganze gilt auch für Betriebe, die aus Drittländern Fisch-, Fleisch-, Mich- und Eiprodukte in die EU einführen, alle müssen zugelassen sein; daher finden Sie z.B. auch Identitätskennzeichen auf Fisch aus China (dem größten Fischexporteur der Welt) – dann natürlich mit dem Länderkennzeichen CN für China versehen.
Aber Achtung, die Nummer gibt lediglich den Betrieb an, der das Lebensmittel in die vorliegende Verpackung abfüllt bzw. verpackt hat. Es gibt nicht etwa die Herkunft des jeweiligen Lebensmittels an.
Konkret bedeutet das:
Der Fisch kann von einem philippinischen Fischdampfer im Südpazifik gefangen, in China bearbeitet, tiefgefroren und umverpackt, nach Deutschland geliefert und hier zu einer Konserve weiterverarbeitet worden sein. Dann steht im Identitätskennzeichen die Zulassungsnummer des Verarbeitungsbetriebes in Deutschland auf der Verpackung. Der Verarbeitungsbetrieb, der den Fisch z.B. in Form von tiefgefrorenen 20 kg-Blöcken aus China kauft, wird aber auf der an ihn gelieferten Verpackung wiederum das Identitätskennzeichen des Verpackers in China finden usw. So ist die Kette an zugelassenen Betrieben jederzeit rückverfolgbar.
Das Ganze gilt auch für innereuropäische Produkte. Auf einer Milchpackung finden Sie z.B. die Angabe des Inverkehrbringers in Bayern. Auf dem Identitätskennzeichen finden Sie jedoch ein „TH“ für Thüringen; folglich wurde die Milch in Thüringen für den bayerischen Verkäufer abgefüllt, und zwar unter den in der EU dafür definierten Hygienebedingungen. Die Milch muss aber nicht etwa aus Thüringen kommen, sondern kann aus irgendeinem Betrieb – der aber EU-zugelassen sein muss – stammen. Das kann ein Betrieb innerhalb der EU aber auch außerhalb der EU sein. Der thüringische Abfüllbetrieb dokumentiert die Lieferwege einschließlich der jeweiligen Identitätskennzeichen; die zuständige amtliche Überwachung kontrolliert die Richtigkeit der Dokumentation.
Also – keine unrichtigen Schlussfolgerungen aus dem Identitätskennzeichen ziehen – das gibt stets nur den letzten Verarbeitungsbetrieb an! Aber der jeweilige Einkäufer des Betriebes weiß immer ganz genau, wo wem er einkauft und ob dieser Betrieb eine EU-Zulassung hat.
Ganz schön anstrengend – aber Information muss ja sein.