Im elften Teil unserer EAT IT-Reihe weist Prof. Nöhle die Aussagen von Foodwatch hinsichtlich angeblich gesundheitsgefährdender Weihnachtsschokolade entschieden zurück:
https://www.youtube.com/watch?v=-tCYejqXuwo
Alle Jahre wieder – möchte die Kampagnenorganisation Foodwatch die Vorfreude auf ein Fest durch massive Verunsicherung schmälern.
Adventskalender, Schokoladen-Osterhasen und nun Schokoladen-Weihnachtsmänner, die geringfügige Rückstände von Mineralöl-Stoffgemischen (MOSH und MOAH) aufweisen, sind in der Kritik. Richtig ist, dass MOSH und MOAH in Lebensmitteln unerwünscht sind, da sie gesundheitlich bedenkliche Einzelsubstanzen beinhalten können. Deshalb ist eine Minimierung notwendig. Falsch ist jedoch, dass die wenigen Produkte, in denen nach den erfolgreichen Minimierungsmaßnahmen der Lebensmittelbranche überhaupt noch Rückstände nachweisbar sind, eine Gesundheitsgefährdung der Konsumenten darstellen. Darauf weist der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL) nachdrücklich hin: „Sowohl die Schokolade in Adventskalendern als auch Schokoladen-Osterhasen und -Weihnachtsmänner können bedenkenlos von Kindern und Erwachsenen verzehrt werden. Würde eine Gesundheitsgefahr bestehen, würden sowohl Hersteller als auch die amtliche Lebensmittelüberwachung sofort mit einem Rückruf reagieren. Die einzigen, die hier aber zurückgerufen werden müssten wegen ihres erneuten Versuchs unangemessener Verbraucherverunsicherungen, sind die Campaigner von Foodwatch“, verdeutlicht BLL-Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff.
1) Footwatch möchte nicht den Menschen die Freude am Fest nehmen, wie Sie mal wieder voller Übertreibung behaupten, sondern möchte Aufklären. 2) Dass eine Interessenorganisation, genauso wie Ihre auch, dafür finanzielle Mittel braucht, dürfte Ihnen klar sein. Dass finanzielle Mittel nicht dadruch generiert werden, dass eine Organisation im medialen Dschungel an anderen Meldungen verschwindet, sollte auch Ihnen klar sein. Dass Organisationen, die nicht im geringsten den gleichen Organisationsgrad wie Brachenorganisationen haben zu anderen Mitteln greifen müssen um diese Aufmerksamkeit zu bekommen, sollte auch Ihnen klar sein. Sie tragen immerhin, genauso wie ich, die Kürzel Prof. Dr. vor Ihrem Namen. Kurz, versuchen Sie andere Organisation nicht mit platten Attitüden zu diffamieren.
3) Es ist völlig richtig, dass die Level der „Kontamination“ kein gesundheitsgefährdendes Niveau erreicht haben. Was mit viel wichtiger und immer noch ungeklärt ist, ist dass ohne Foodwatch solche Meldungen niemals an die breite Öffentlichkeit gelangen würden. Ich frage mich, warum? Als Verbraucher von Weihnachtsschokolade würde ich doch gerne wissen wollen, dass es eine „Kontamination“ gibt, völlig egal ob sie gefährdend ist oder nicht. Und noch eine Frage bleibt schon wieder völlig ungeklärt: Wie kann es überhaupt sein, dass MOSH und MOAH in Schokolade nachgewiesen werden? Welches Produktionsverhältnis ist hierfür verantwortlich?
Ich würde mich hier sehr über ein Statement Ihrerseits freuen!
Guten Tag, Herr Matuchek,
gerne antworte ich auf Ihre Kritik. Bei den Punkten 1 und 2 sind wir gar nicht so weit voneinander entfernt. Jeder vertritt seine Interessen – welche denn auch sonst. Dazu bedarf es selbsterklärend eines medialen Auftritts und ausreichenden Kapitals. Es darf allerdings hinterfragt werden, wessen Interessen foodwatch denn nun wirklich vertritt.
Foodwatch ist keine „Verbraucherorganisation“ wie die Verbraucherzentralen der Bundesländer oder die ‚Verbraucherzentrale Bundesverband‘ und foodwatch klärt auch nicht wie z.B. die ‚Stiftung Warentest‘ mit wissenschaftlicher Expertise auf. Niemand hat footwatch als ‚Verbraucherschützer‘ gewählt, bestimmt oder autorisiert. Der Verein wurde 2002 von Herrn Thilo Bode, dem ehemaligen Chef von Greenpeace Deutschland und später Greenpeace International, in Eigenregie gegründet, nachdem er sich von Greenpeace getrennt hat. Von den 19 Mitarbeitern bei foodwatch Deutschland sind insgesamt 18 Geistes-, Sozial- oder Politikwissenschaftler (7), BWL/VWLer (4), Kommunikations- und Medienmanager/Journalisten (4), Juristen (1), Ökonome (1) und Dipl.Kauffrauen (1) und nur ein Einziger, Herr Wolfschmidt, hat eine einschlägige Ausbildung im Bereich Lebensmittel. Er ist ein sehr hoch qualifizierter Tierarzt. Bei dieser Verteilung wird wohl offensichtlich, dass die Arbeitsinhalte von foodwatch nicht naturwissenschaftlich-aufklärender Art sein können und sind, sondern eher in Richtung eines ‚klassischen Journalismus‘ gehen, der nicht immer durch klares Fachwissen geprägt sein muss. Aber – ich habe überhaupt nichts dagegen – so ist unsere Welt, man muss es nur wissen. Mehr über die Organisation lesen Sie hier.
Das Thema MOSH/MOAH ist übrigens schon 7 Jahre alt und wurde von der zuständigen Bundesoberbehörde – hier das Bundesinstitut für Risikoberwertung (BfR) öffentlich behandelt. Seit 2009 finden Sie auf der Homepage des BfR 29 qualifizierte Literaturstellen/Stellungnahmen zu diesem Thema.
Das BVL hat MOSH/MOAH in seinem Monitoring Handbuch 2017 aufgeführt.
Die Industrie hat sich seit Bekanntwerden der Problematik damit auseinandergesetzt und die Kontaminaten bzw. die Kontaminationswege deutlich reduziert. Die neuesten Analysen der Bayerischen Überwachungsbehörde, dem LGL, haben das auch bestätigt. Ich gebe allerdings gerne zu, es ist für einen Journalisten durchaus anstrengend, die Texte des BfR zu lesen und zu interpretieren. Das wird mit einem „transformierten“ Text ex foodwatch natürlich sehr viel leichter. Ich habe den Eindruck, genau darin liegt auch die Geschäftsidee von foodwatch.
Jetzt zum Ursprung von MOSH/MOAH. Eine der wesentlichen Eintragsquellen für mineralölhaltige Bestandteile sind die Druckfarben aus (ggf. recyceltem) Verpackungsmaterial. Der Eintragsweg ist wie folgt: Eine Zeitung wird mit Druckerschwärze (die eben diese Komponenten aus Mineralölen bestimmungsgemäss enthält) bedruckt, die Zeitung wandert ins Altpapier, wird dann durch Recycling z.B. zu Wellpappe und Vollpappe und diese recycelten Materialien werden dann zum Verpacken von Lebensmittel verwendet; die mineralölhaltigen Bestandteile migrieren über die Luft in das Lebensmittel. Es ergeben sich folgende Lösungsmöglichkeiten:
a) in der ersten Ebene: Druckerschwärze wird grundsätzlich ohne die in der Kritik stehenden mineralölhaltige Komponenten hergestellt;
b) in der zweiten Ebene: Zum Verpacken von Lebensmitteln genutzte Verpackungsmaterialen werden grundsätzlich aus Primärfaser ohne recycelten Materialien hergestellt;
c) in der dritten Ebene: Durch Barrierematerialien in der Primärverpackung werden die mineralölhaltigen Bestandteile vom Lebensmittel ferngehalten.
Die Industrie hat bereits reagiert durch eine oder mehrere Lösungen aus a) bis c). Eine nationale DruckfarbenVerordnung (die die Zusammensetzung der Farben für das Bedrucken von Lebensmittelverpackungen regeln soll) war in Arbeit, ist aber jetzt gestoppt, weil das ganze bekanntlich kein deutsches Problem ist, sondern mindestens ein europäisches und bei scharfem Hinsehen natürlich ein weltweites. Die EU-Kommission hat eine europäische Rechtsvorschrift angekündigt. Informatoonen dazu finden Sie in der natur- und rechtswissenschaftlichen Literatur, in den Verbänden und auch bei den Behörden.
Sehr geehrter Herr Matuchek, das war der naturwissenschaftliche Teil und jetzt sind wir bei Ihrer Fakultät, den Geisteswissenschaften. Warum hat der Mensch die oben genannten Zusammenhänge nicht schon vorher gesehen und den beschriebenen Prozess nicht gleich anders gestaltet, so dass wir überhaupt niemals mit mineralölhaltiger Druckerschwärze angefangen hätten zu drucken? Warum fahren wir mit Verbrennungsmotoren durch die Gegend, von denen wir genau wissen, dass wir Millionen Tonnen Schadstoffe aus fossilen Brennstoffen ausstossen? Warum landen jedes Jahr in Deutschland mindestens 30 Millionen Ladegeräte von elektronischen Geräten im Müll und wo bleiben die 2 Milliarden (!) iPhones, die in den letzten Jahren von Apple verkauft wurden? Es ist doch heute klar, dass jedes Gerät, das wir produzieren mit 100%iger Sicherheit irgendwann zu einem Müllproblem führt und deshalb ohne post-use-Konzept gar nicht erst hätte produziert werden dürfen. Ist der Mensch zu dumm für diese Welt? Oder ist die „trial & error“- Strategie, der der Mensch zweifellos folgt, sogar eine richtige Strategie, unter der sich die Menschheit in den vergangenen 150 Jahren offensichtlich sehr erfolgreich erstens in der Anzahl verzehnfacht (!) und in der Lebenserwartung verdoppelt (!) hat? Ich will mit dieser Frage Probleme nicht klein reden – aber vielleicht relativieren sich Extremansichten etwas unter einem gesamthaften Blickwinkel?
Schöne Grüße
Ulrich Nöhle
Wir brauchen Foodwatch damit sich die Industrie mehr Mühe beim Minimieren gibt der Rückstände gibt. Es ist richtig, dass die Schokoladenfiguren nur ein Bruchteil der Lebensmittel sind, aber insgesamt gibt es einen Trend zu immer mehr Zusatzstoffen die irgendwie in die Lebensmittel übergehen können, siehe auch Bisphenol-A, Biozide in Käsepapier usw. Allzuoft werden da die Firmeninteressen über die Verbraucherinteressen gestellt. Daher: wir brauchen noch mehr Leute/Organisationen wie Foodwatch!