Professor Nöhles Essensalltag
Weihnachtszeit heißt Backzeit. Ob Plätzchen, Lebkuchen oder Stollen mit viel Sukkade und Orangeat, alles muss in den Ofen.
Manchmal klappt das gut, aber manchmal geht das Gebäck nicht auf und es kommt ein besserer Fladen aus dem Ofen – woran liegt das?
So ein Teig aus Mehl und Wasser geht nicht von alleine auf, er muss im wahrsten Sinne des Wortes erst dazu getrieben werden – und das mit drei verschiedenen Verfahren, die gleichzeitig auf den Teig einwirken:
1. physikalisch: Allein durch die Erhitzung im Backofen wird schon ein Teil der Luft bzw. der aus dem Wasser entstehende Wasserdampf ausgetrieben und lockert so den Teig etwas auf. Das reicht aber noch nicht aus.
2. biologisch: Sie nehmen Backhefe oder auch Trockenbackhefe (das ist die gefriergetrocknete Version der frischen Hefe) und geben sie dem Teig zu. Die Hefe vergärt jetzt den dem Teig zugesetzten Zucker oder auch durch Milch zugesetzten Milchzucker zu Alkohol, Wasser, verschiedenen organischen Säuren und Kohlendioxid. Das entstehende CO2 gast jetzt aus und gibt dem Teig die schöne lockere Krume – mit mehr oder weniger großen Blasen, also den späteren Hohlräumen im Hefegebäck. Dazu muss man den Teig mit der Hefe aber erst ein wenig „gehen lassen“, um die nötige Gasmenge zu erzeugen.
Die Gasmenge hängt von der zugegebenen Menge Hefe/kg Mehl, der vorhandenen bzw. zusätzlich zugegebenen Zuckermenge, der Flüssigkeitsmenge und eben der Temperatur ab. Ein Pizzateig benötigt 20-30g Hefe/kg Mehl, ein Weizenteig 30-40g und ein richtig schwerer Hefeteig braucht 70 bis 100g Hefe/kg Mehl.
Das richtige Zusammenspiel aus allen diesen Parametern macht den guten Kuchenbäcker bzw. den Pizzabäcker aus. Sie haben es schon erlebt: in manchen Pizzerien schmeckt der Pizzaboden schrecklich, in anderen göttlich. Jetzt wissen Sie, woran es liegt (neben der Art des Ofens, der Temperaturführung beim Backen und dem Belag). Als Hausbäcker und Hausbäckerin sollten Sie sich messerscharf an das Rezept halten, sonst wird das mit dem Hefeteig leider nichts. Ähnliches gilt für sauerteiggeführte Verfahren.
3. chemisch: Wenn Ihnen das Ganze zu anstrengend ist, Sie wenig Zeit haben oder das Gebäck auch gar nicht groß aufgehen soll (z.B. bei Flachgebäcken), dann nehmen Sie Backtriebmittel chemischen Ursprungs, die direkt Kohlendioxid frei setzen, also ein handelsübliches Backpulver. Hierbei handelt es sich meist um „Natron“, auch Natriumhydrogencarbonat oder „doppelt kohlensaures Natrium“ genannt. Aus dieser Verbindung kommt das CO2 aber auch nicht freiwillig heraus, es muss erst durch eine Säure aus seiner Verbindung „herausgetrieben“ werden. Deshalb finden Sie auf den Verpackungen von Backpulver neben der Zutat „Natriumhydrogencarbonat“ immer auch noch organische Säuren wie z.B. Citronensäure, Weinsäure, Weinstein oder auch verschiedene Phosphate. Diese Säuren treiben dann im wässrigen Milieu des Teiges bei der erhöhten Temperatur während des Backens das CO2 aus dem Natriumhydrogencarbonat aus – und so wird der Teig dann schön locker, ähnlich wie bei der Hefe, aber gleichmäßiger verteilt und von feinerer Struktur.
Es gibt aber auch reines „Natron“ zu kaufen, also reines Natriumhydrogencarbonat ohne zugesetzte organische Säuren. Dieses Backtriebmittel funktioniert nur, wenn Sie die Säure aus anderen Zutaten dem Teig zusetzen, z.B. in Form von Zitronensaft oder anderen sauren Früchten. Im Zitronensaft wirkt dann die gleiche „Citronensäure“ wie die oben im Beispiel zu Backpulver zugesetzte.
Ein kleiner Sonderfall ist das Backen mit Hirschhornsalz, auch Ammoniumhydrogencarbonat genannt. Hier wird neben CO2 auch noch entstehender Ammoniak ausgetrieben. Die ganze Küche riecht dann gewaltig nach „Salmiak“. Dieses Backtriebmittel wird noch für bestimmte Lebkuchen, bestimmte Flachgebäcke und Spezialitäten genutzt, bei denen ein ganz leichter Ammoniakgeruch nicht stört, sondern eher anregend ist.
Ganz schön kompliziert das Backen. Wenn der Kuchen nichts geworden ist, gibt es zwei Ursachen:
a) Sie haben das Backtriebmittel vergessen
b) Sie haben sich nicht scharf an das Rezept und die dazu passende Herstellanweisung gehalten und meinten „das klappt schon irgendwie“. Tut es nicht. Sie müssen genau lesen, was im Kochbuch steht und sich auch genau daran halten.
In der Lebensmittelindustrie gibt es für diesen Zweck die „Standard Operation Procedure“ (SOP) – die sorgt dafür, dass es jeden Tag frisches Gebäck gibt, das richtig schön locker und nicht verklemmt ist.