Professor Nöhles Essensalltag
Auf jedem Weihnachtsmarkt gibt es Glühwein – und der lässt den winterlichen Ausflug auch bei niedrigen Temperaturen durchaus lustig werden.
Doch Sie haben es alle schon einmal festgestellt, manchmal schmeckt der Glühwein richtig gut und süffig und manchmal eher gegenteilig wie billiger Fusel. Woran liegt das?
Zunächst einmal das Wichtigste: Was ist eigentlich Glühwein? Es ist klar, dass es dafür eine rechtliche Definition gibt, und weil das Weinrecht ein europäisches ist, steht die Definition im Anhang II, Buchstabe B Nr.8 der Verordnung (EU) 251/2014 über „…Begriffsbestimmungen von aromatisierten Weinerzeugnissen…“. Demnach ist ein Glühwein ein „aromatisiertes, weinhaltiges Getränk, das ausschließlich aus Rotwein oder Weißwein gewonnen wird, das hauptsächlich mit Zimt und/oder Gewürznelken gewürzt wird und bei dem der vorhandene Alkoholgehalt mindestens 7% beträgt.“
Glühwein darf also nur aus Rotwein oder Weißwein hergestellt werden. Der Zusatz anderer Fruchtweine oder gar Fruchtsäfte ist nicht zulässig. Glühwein ist ohne weitere Kenntlichmachung grundsätzlich immer „rot“. Wird er aus Weißwein hergestellt, so muss das entsprechend gekennzeichnet werden, z.B. als „Glühwein aus Weißwein“ oder „Glühwein weiß“. Auch der Zusatz anderer alkoholischer Getränke wie z.B. Wodka oder Rum ist definitiv unzulässig – wenn das Enderzeugnis Glühwein heißen soll. Das Zuckern von Glühwein ist aber zulässig. Es können weißer Verbrauchszucker, Fruktose, Glukose bis hin zu Traubenmost und Honig zugesetzt werden, aber wiederum keine Trauben- oder Obstsäfte. Auch der Zusatz von Wasser ist unzulässig. Alkoholfreien Glühwein kann es per definitionem auch nicht geben.
Und jetzt erkennen Sie auch schon, woher die Qualität des Glühweins kommt oder nicht kommt: von der Qualität des verwendeten Weins, von der Art und Menge der zugesetzten Süße und der Würzung. Es gibt folglich pappsüße oder auch adstringierende oder eben ausgewogene Glühweine – je nach Rezeptur. Doch ebenso entscheidend ist das „Prozessmanagement“ auf dem Weihnachtsmarkt und auch bei Ihrer privaten Glühweinparty zuhause: die Temperaturführung!
Wein enthält bekanntlich Alkohol – und der siedet bei 78 Grad Celsius, Sie erinnern sich an Ihren Chemieunterricht. Wenn also der Marktstand oder auch Sie zuhause den Glühwein über 78 Grad erhitzen oder gar aufwallen oder köcheln lassen (das Schlimmste, was dem Glühwein antun können!), ist der Alkohol ruckzuck futsch und Sie haben eine Art „Kochrückstand aus Traubenmost, Zucker und Zimt“. Wenn das Ganze dann auch noch über mehrere Stunden so geht, kann das Endergebnis nur schlecht schmecken.
Das Schlimmste, was Sie nun tun können, ist, diesen „Kochrückstand“ mit frischem Wein wieder aufzufüllen. Das macht es nicht besser, im Gegenteil, dann „vers….n“ Sie sich den guten Wein wieder mit dem alten Kochrückstand. Ein thermostatiertes Erhitzungsgefäß, welches nicht über 78 Grad erhitzt, ist schon einmal die Grundvoraussetzung, um einen anständigen Glühwein herzustellen. Auf den Weihnachtsmärkten werden Sie diese Gefäße sehen.
Wenn Sie jetzt noch einen eher lieblichen Wein mit einem relativ hohen natürlichen Restzuckergehalt wählen (und keinen spritigen Rotwein der alleruntersten Qualität), sich mit dem Zuckern und Würzen etwas zurück und sich streng an die Temperaturvorgaben halten, werden Sie einen wunderschönen Nachmittag oder Abend mit Glühwein verbringen.
Nun soll es aber Zeitgenossen geben, die meinen, den Spaßfaktor des Glühweinnachmittages zu erhöhen, indem sie den Glühwein eben doch mit Wodka, Rum oder anderen hochprozentigen Alkoholika „anreichern“, damit die Kumpels möglichst schnell betrunken werden. Wäre das dann eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat?
Wenn ein derartiges Produkt als „Glühwein“ gewerblich angeboten werden würde, dann wäre das in der Tat eine Ordnungswidrigkeit. Wenn das Produkt aber eine andere, die tatsächliche Zusammensetzung charakterisierende Bezeichnung erhält und keine andere Vorschrift über spezifische Bezeichnungen verletzt, dann wäre ein derartiges Produkt zulässig, z.B. als „Punsch aus Rotwein mit Wodka, Zitronenscheiben und Gewürzen“. Denn „Punsch“ ist keine rechtlich definierte Bezeichnung. In diesem Falle benötigt das Erzeugnis aber eine Zutatenliste mit Angabe aller Zutaten (sowie andere Kennzeichnungselemente), während der oben genannte Glühwein als definiertes weinhaltiges Getränk mit mehr als 1,2% Alkohol keine Zutatenliste benötigt.
Also, bevor Sie etwas am Glühweinstand ordern, sollten Sie genau lesen, was dort auf der Tafel steht!
Und was machen wir mit den Kindern auf dem Weihnachtsmarkt? Die bekommen einen „Kinderpunsch“. Auch dafür gibt es keine Rechtsvorschrift, die die Zusammensetzung regelt. Darunter versteht man in der Regel erhitzte Fruchtsäfte und/oder (Früchte)Tees bzw. Mischungen daraus, ggf. auch gesüßt und mit Gewürzen wie beim Glühwein versetzt, natürlich ohne Alkohol. Ein richtig gut abgemischter und erhitzter „Kinderpunsch“ schmeckt fast wie Glühwein ohne Alkohol. Als Lebensmittel eigener Art benötigt dieser bei gewerblichem Ausschank eine Zutatenliste.
Das war jetzt ganz schön kompliziert für einen Weihnachtsmarktbesuch.
Wer das Ganze noch einmal scharf nachlesen möchte, dem empfehle ich z.B. das Merkblatt des Landesuntersuchungsamtes Rheinland-Pfalz.
Schönen Nachmittag auf dem Weihnachtsmarkt!