Professor Nöhles Essensalltag
Wenn Sie ein echter Filmstar sind und irgendwo zwischen Rodeo Drive und Santa Barbara wohnen, dann essen auch Sie sicherlich die Paleo-Diät, die Sie unsterblich machen wird. Ja, auch dieser Trend ist jetzt endlich von Amerika nach Deutschland herübergeschwappt.
„Paleo“ ist die Verkürzung des Begriffs „Paläolithikum“, also die Altsteinzeit. Das ist der Zeitraum von vor 2 Millionen Jahren bis zu 20.000 Jahren vor heute. Daran schloss sich das Neolithikum, die Jungsteinzeit an, in der vom Menschen bereits Ackerbau und Viehzucht betrieben wurde. Doch in der Altsteinzeit lebte der Mensch vom Jagen und Sammeln, d.h. viel Fleisch, Beeren und Früchte, aber mangels Ackerbau und Viehzucht eben kein Getreide und keine Milch und daraus hergestellt Produkte.
Die Anhänger dieser Ernährungsweise meinen nun, was dem Steinzeitmenschen das Überleben gesichert hat, das kann ja nur gut für die Gesundheit gewesen sein: alles so ursprünglich wie möglich, frisch und vor allem roh.
Die Paleo-Diät erlaubt also folglich Obst und Gemüse, Fleisch vom Wild, Fisch, alle Arten von Meeresfrüchten, Eier und was sich sonst noch so in der Umgebung findet, wie z.B. Kräuter, Pilze, Wurzeln, Baumfrüchte wie Nüsse und auch Honig von den Bienen, die ja gerne in Bäumen nisten. Verboten sind selbsterklärend alle Produkte, die aus gelenkter Viehhaltung und aus dem Ackerbau stammen, also Milch und Milchprodukte, Getreide und daraus hergestellte Erzeugnisse wie Brot, Zucker und Alkohol. Natürlich sind auch alle daraus hergestellte, zusammengesetzte und in jeder Form bearbeitete Lebensmittel nicht erlaubt, also z.B. sämtliche Fertiggerichte und auch Kaffee und Kakao.
Und diese „Paleo-Diät“ lässt mich jetzt 100 Jahre alt werden?
Halten wir mal eben fest: Die Lebenserwartung des Steinzeitmenschen betrug ca. 25 Jahre (genaue Zahlen gibt es bekanntlich nicht, aber im Jahre 1901 betrug die statistische Lebenserwartung von Männern in Deutschland lediglich 44 Jahre, heute werden neu geborene Jungen statistisch 81 Jahre alt). Der Steinzeitmensch starb an mannigfaltigen Infektionen, die wir heute schon vergessen (weil bekämpft) haben (Tuberkulose, Diphtherie, Pocken), er kam gar nicht erst zum Leben (Kindersterblichkeit) oder eine tiefe Wunde führte schon zum Tod durch die damit verbundene Sepsis.
Aber die Lebensmittel waren doch sicherlich alle besser?
Nun, die erjagten Tiere wie Schwarzwild (Wildschweine), Hochwild (Rehe) und Niederwild (Hasen und Fasane) hatten Trichinen, Milzbrand, Brucellose und jede Menge Parasiten, die alle – wenn das Fleisch roh verzehrt wird – auch dem Menschen gefährlich wurden. Und eine Fleischbeschau wie heute vorgeschrieben, gab es bekanntlich nicht, ebenso wenig fließendes Wasser zu Reinigungszwecken.
Dem Steinzeitmenschen ging es mit Sicherheit nicht „besser“ als uns heute in der industrialisierten Gesellschaft, und er war auch nicht gesünder. Unsere Wohlstandserkrankung Diabetes sowie Krebs hatte er allein deshalb nicht, weil er schon vorher tot und gar nicht erst in das kritische Alter für derlei Erkrankungen kam.
Aber wenn man sich mit den heutigen – sicheren – Lebensmitteln wie ein Steinzeitmensch ernähren würde, dann wäre es doch besser?
Die „Paleo-Diät“ ist nichts anderes als eine „Low-Carb“ Diät. Wie alle Extrem-Diäten, die ganz bestimmte Inhaltsstoffe weglassen (hier also die Kohlenhydrate), erfordert sie ein Höchstmaß an persönlicher Disziplin und immer ein hohes Maß an körperlicher Bewegung, damit Sie nicht den ganzen Tag aus Langeweile an Ihrem Schreibtisch sitzend eben doch nebenher irgendetwas essen. Und genau das unterscheidet uns vom Steinzeitmenschen. Er hatte keine Langeweile, hatte auch nichts zum Naschen, sondern musste sich den ganzen Tag lang bewegen, um zu jagen und zu sammeln – denn sonst hatte er überhaupt nichts zu essen.
Unser „Problem“ heute liegt nicht in „High Carb“, dem ich mit einer „Low Carb“ oder von mir aus auch mit einer „Paleo-Diät“ begegnen kann, sondern schlicht im unendlichen Überfluss an sicheren Lebensmitteln – und dem kann ich mit Selbstdisziplin begegnen und nicht mit einer Diät.
Ach ja, dabei fällt mir ein: Im Jahre 1910 hatte die Erde 1 Milliarde Einwohner, die statistisch rund 50 Jahre lang lebten. Für das Jahr 2050 werden 10 Milliarden Menschen auf der Erde prognostiziert, deren Neugeborene ab dann 100 Jahre alt werden.
Verzehnfachung der Menschheit und Verdoppelung der Lebenserwartung in nur 140 Jahren ! Und das nicht trotz, sondern wegen des industriellen und wissenschaftlichen Fortschritts.
Essen Sie, was Sie möchten, aber sagen Sie nicht, in der Steinzeit war irgendetwas besser.
Hallo Herr Prof. Dr. Ulrich Nöhle,
ich habe gerade Ihren Artikel gelesen und bin tatsächlich bei einigen Punkten nicht ganz auf Ihrer Seite, da hier leider viel mehr vermischt wird, als nur die „Ernährungsweise“. Neben der evolutionären Sichtweise der Paläo-Ernährung gibt es mittlerweile zig Studien, die diese Form der Ernährung unterstreichen. Letztlich geht es doch viel mehr darum sich wieder frisch, lokal und hochwertig zu ernähren. Das führt letztlich dazu, dass diese Ernährungsweise kohlenhydratarm ist – doch nehmen wir heutzutage nicht sowieso viel zu viel isolierten Zucker zu uns? Das bedeutet natürlich nicht, dass komplett auf Kohlenhydrate verzichtet werden soll.
Dem Absatz „Unser „Problem“ heute liegt nicht in „High Carb“, dem ich mit einer „Low Carb“ oder von mir aus auch mit einer „Paleo-Diät“ begegnen kann, sondern schlicht im unendlichen Überfluss an sicheren Lebensmitteln – und dem kann ich mit Selbstdisziplin begegnen und nicht mit einer Diät.“ kann ich allerdings absolut zustimmen. Ich kann allerdings auch aus eigener Erfahrung sagen, dass bei einer gesunden und ursprünglichen Ernährung die Naschereien auch ohne viel Selbstdisziplin verzichtet werden kann. 🙂
Ganz liebe Grüße
Janis
doch, in der steinzeit gabs viel mehr mammuts!