Im dritten Teil der neuen Staffel unserer EAT IT-Filmreihe geht Professor Nöhle der Frage nach, welchen Stellenwert unsere Ernährung für den einzelnen Verbraucher in der heutigen Zeit eingenommen hat.
https://www.youtube.com/watch?v=K-iqsvc-dR0
Den Artikel zum obigen Video können Sie gerne nachfolgend in Professor Nöhles Essensalltag nachlesen.
Teil 1 der neuen Staffel: Nährwerttabelle – Zucker versteck‘ Dich?
Teil 2 der neuen Staffel: Das Loch in der Ananas
Sämtliche Folgen beider Staffeln können Sie sich hier ansehen.
Professor Nöhles Essensalltag
Mit dem Satz Mein Haus, mein Auto, mein Boot signalisierte der gutsituierte Bürger vor 20 Jahren (zumindest in einer Sparkassenwerbung), dass es ihm gutging und das auch nach außen zeigen wollte. Der Verbraucher definierte seinen Status oder auch seinen Wohlstand gegenüber der Gesellschaft mit schönen teuren Statussymbolen. Und heute?
Dass Sie ein Auto haben, mit dem Sie mehr im Stau stecken als zügig zu fahren, damit können Sie heute niemanden mehr beeindrucken, sondern erzeugen eher Mitleid. Etwas anderes ist an dessen Stelle getreten: die Ernährung! Der gut situierte Verbraucher zeigt, was er isst – nein, immer öfter, was er nicht isst.
Bitte? Nicht-Essen als Statussymbol?
Es fängt mit den generischen Essgewohnheiten an: Flexitarier (essen nur manchmal Fleisch), Pescetarier (essen kein Fleisch, dafür aber Fisch), Vegetarier (verzichten je nach Untergruppe auf bestimmte tierischen Produkte), Veganer (rühren gar keine tierischen Produkte an, auch keine Lederschuhe und Wollmützen) – immer mehr Verbraucher „positionieren“ sich öffentlich mit dem, was sie nicht essen.
Die Lebensmittelwirtschaft stellt sich natürlich auf diese neue Nachfrage ein. In jedem Supermarkt finden Sie inzwischen „vegetarische Wurst“, „vegane Fleischerzeugnisse“, und nahezu jedes Restaurant bietet inzwischen vegetarische Gerichte, meist Pasta an. Wer es noch stylischer mag, geht in ein veganes Restaurant.
Hinzu kommen die „low-in“ Produkte: Low carb Produkte wie z.B. „Eiweißbrot“, low fat oder auch „zero-Produkte“ wie Zero-Cola bereichern das Sortiment.
Dann gibt es noch zahlreiche Produkte ohne ganz bestimmte einzelne Inhaltsstoffe, gekennzeichnet als „laktosefrei“, „glutenfrei“, „milcheiweißfrei“ usw.
Vor 20 Jahren undenkbar – hören Sie heute von Ihren Gästen, die Sie am Samstagabend zu sich nach Hause zum Essen einladen, erst einmal, was sie alles nicht essen, und die bringen Sie damit ganz schön ins Grübeln. Laktosefrei? Also nichts mit Milch, keine Milchschokolade, keinen Pudding und keinen Cappuccino. Ohne Milcheiweiß? Kein Käse, kein Joghurt-Dressing zum Salat und keine Sahne in die Sauce – das macht Sie schon ganz kirre. Doch es kommt noch dramatischer. Kein Gluten? Also kein Brot, keine Pasta (!), kein Kuchen, keine Kekse und kein Bier. Richtig schön wird es, wenn ein Verbraucher sagt, er hätte eine „Gluten- und Haselnussallergie und wohl auch manchmal noch eine Laktoseintoleranz“ und könne eigentlich fast gar nichts essen oder eben alles nur „ohne“.
Aber ist diese „Ohne-Philosophie“ naturwissenschaftlich wirklich berechtigt oder ist das nur eine neue Form eines Überfluss-Lifestyles?
Um Missverständnisse zu vermeiden: wer eine echte, von einem Arzt festgestellte, klinisch manifeste Allergie gegen Weizeneiweiß hat, nämlich eine Zöliakie, eine z.T. erbliche, nicht ursächlich behandelbare wirklich körperlich zermürbende entzündungsartige Erkrankung der Dünndarmschleimhaut, der muss Gluten selbstverständlich streng vermeiden. Da gibt es nichts zu verniedlichen. Mehr zu dem Thema finden Sie bei der Deutschen Gesellschaft für Zöliakie e.V.
Verschiedene Quellen berichten von einer Prävalenz für eine Zöliakie in Deutschland von ca. 1:500, d.h. jeder 500ste Bürger oder 0,2% der Bevölkerung leiden unter dieser Erkrankung.
Doch wenn ich mich unter Verbrauchern so umhöre, scheint es, daß gefühlt jeder Dritte irgendeine Allergie oder Unverträglichkeit hat – und das auch erst, seitdem gemäß LebensmittelinformationsVerordnung die Allergene auf dem Etikett deklariert sind und die Medien entsprechend offensiv darüber berichten. Das ist jetzt zweifellos eine unwissenschaftliche Aussage, die ich nicht durch Zahlen belegen kann.
Aber es kommt mir schon etwas merkwürdig vor, wenn ich statt „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“ jetzt immer öfter höre „Meine Glutenallergie, meine Eiweißallergie, meine Laktoseintoleranz“.
Na ja, jedem das Seine. Zum Glück steht ja alles auf der Verpackung – und wenn’s schmeckt und auch noch glücklich macht, dann geht’s uns ja gut.
Was ich noch sagen wollte: Ich unterstütze veganes Katzenfutter – und das ist jetzt wirklich ketzerisch.