Professor Nöhles Essensalltag
Vor einigen Tagen war es in allen Medien zu lesen: Jetzt hat die EU auch noch die Farbe der Pommes reguliert – immer diese Regelungswut – reicht die Krümmung der Gurken nicht schon aus? Kann sich die EU nicht wenigstens da heraushalten?
Was sich zunächst skurril anhört, hat aber in der Tat einen sehr nachvollziehbaren Hintergrund.
Es begab sich im Jahre 2002, da haben schwedische Wissenschaftler mehr oder weniger zufällig entdeckt, dass in stark erhitzten und insbesondere stärkehaltigen Lebensmitteln, wie z. B. Kartoffelchips, Knäckebrot oder auch Kaffeepulver ein ganz bestimmter Stoff vorkommt: Acrylamid. Acrylamid zeigt sich im Tierversuch als „wahrscheinlich krebserregend“. Diese Erkenntnis führte in den entsprechenden wissenschaftlichen Gremien auf EU-Ebene und auch in Deutschland zu umfangreichen Untersuchungen über Gehalte an Acrylamid in verschiedenen Lebensmitteln und insbesondere über dessen Entstehungsvorgang bei der Lebensmittelherstellung. Untersucht wurden dabei natürlich auch Möglichkeiten der Verminderung und Vermeidung der Entstehung.
Acrylamid ist nämlich nicht etwa eine Umweltkontaminante und auch nicht dem Lebensmittel absichtlich zugegeben, sondern es entsteht beim Backen, Braten oder Frittieren von kohlenhydratreichen Lebensmitteln wie Getreide, Kartoffeln, feinen Backwaren und Kaffeebohnen. Und das Ganze passiert in der Lebensmittelherstellung auch nicht erst seit gestern, sondern war vor 100 Jahren auch schon so – wir haben es nur nicht gewusst.
Jetzt wissen wir es und im Zuge des präventiven Gesundheitsschutzes handeln sowohl die Lebensmittelwirtschaft als auch der Gesetzgeber. Die Lebensmittelwirtschaft hat inzwischen herausgefunden, dass sich Acrylamid insbesondere bei Temperaturen über 120 Grad Celsius, bei geringem Feuchtigkeitsgehalt und bei Anwesenheit der Aminosäure Asparagin und so genannter „reduzierender Zucker“, wie z. B. Traubenzucker, bildet. Mehrjährige Versuche haben jetzt gezeigt, wie man die Bildung von Acrylamid vermindern kann.
Bei Kartoffelerzeugnissen (auszugsweise) z. B. durch:
- Lagerung der Kartoffeln über 6 Grad Celsius
- Verwendung von Kartoffelsorten mit niedrigem Gehalt an reduzierenden Zuckern
- Frittiertemperatur max. 175 Grad Celsius bzw. Backtemperatur im Ofen max. 220 Grad und daraus resultierend die Maßgabe, den Bräunungsgrad der Pommes möglichst „hell“ zu halten
Ähnliche Maßnahmen wurden für Backwaren und Kaffee veröffentlicht.
Begleitet werden diese prozesstechnischen Vorgaben mit der Veröffentlichung einer Analysemethode und Richtwerten für Acrylamid für die oben genannten Lebensmittel.
Ganz schön kompliziert, aber völlig richtig im Sinne des vorbeugenden Gesundheitsschutzes. Und deshalb nimmt die EU auch niemandem die Pommes, den Lebkuchen oder das Brot weg, sondern setzt naturwissenschaftliche Erkenntnis in gesundheitsschützende Maßnahmen um – das mediale Geschrei ist also völlig abwegig.
Oder umgekehrt: Stellen Sie sich vor, die Behörden wissen um Acrylamid und würden keine Maßnahmen ergreifen – wie groß wäre das Geschrei dann erst?
Wissenschaft kann auch ganz gut sein.
Und wer sich jetzt die einzelnen Lebensmittel mit den einzelnen Richtwerten für Acrylamid genauer ansehen will, der liest die nächsten 20 Seiten hier weiter.
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