Lebensmittel sind ein beliebtes Medienthema, ganz besonders im Sommerloch. Was sticht aus der aktuellen Berichterstattung besonders hervor? Medienexperte Heinz Klaus Mertes präsentiert Top, Flop und Trend der Woche.
TOP
Zum Aufessen. Dass große ökologische Weltenlenkung oft im Kleinen, aber Innovativen beginnt, beweisen zwei Studentinnen der Universität Hohenheim. Sie lieben Eiscreme und zugleich die Umwelt. Und haben deshalb Eislöffel zum Aufessen entwickelt anstelle der millionenfachen Plastiklöffel – in vielen Geschmacksrichtungen und dazu noch vegan.
Die Management-Studentin Amelie Vermeer hat ausgerechnet: „Im Jahr werden in Deutschland über 360 Millionen Plastik-Eislöffel weggeworfen. Da dachten wir, hier greifen wir ein.“ Innovative Alternativen für nachhaltiges Geschirr versprechen blendende Marktaussichten. Denn geht es nach der EU-Kommission, dann gibt es demnächst kein Wegwerfgeschirr aus Plastik mehr.
Die Geschäftsidee der Kommilitoninnen führte denn auch inzwischen zu einem Startup-Unternehmen mit frischem Marketing („Spoontainable“). Nun suchen die Jung-Unternehmerinnen über eine Crowdfunding-Plattform im Internet nach finanzieller Partnerschaft auf dem Weg aus der WG-Küche in die Serienproduktion. Das dürfte gelingen.
Wenn gerade die jungen Konsumgenerationen ökologischen Motivationen über bloßes Bekennertum hinaus in lebensnahe Innovationen umsetzen, die Märkte bereichern, dann ist das mehr wert als manche Dogmatik regulatorischen Verbietens.
Das ist TOP.
FLOP
Schock-Pädagogik. Aktuell war er ja – der sonntägliche ARD-Talk am immer noch schrecklich heißen und trockenen vorletzten August-Wochenende. Thema: Der Dürre-Sommer – wie müssen wir unser Verhalten ändern? Eine „gmahte Wiesn“, wie man in Bayern sagt für eschatologische Prophetenwarnungen vor der sicheren Erdschmelze hin zur Ernährungswüste als Folge der Fehlschöpfung Menschheit.
Und die Protagonisten bekamen ihr warnendes Wort reichlich von der Moderatorin zugeteilt. Oder nahmen es sich – beharrlich den Rückenwind im Studio nutzend. Voran segelte Klimakapitän Hans-Joachim Schellnhuber, Professor im herrlichen see- und waldumsäumten Potsdam. Wie kein anderer versteht er es, mit seinem halb geschlossenen Seherblick auf das unvermeidliche Klima-Weltgericht des Jüngsten Tages die herrlichste Gänsehaut zu erzeugen. Rhetorisch unterstützt von der grünen Leichtmatrosin Annalena Baerbock, die dank ihrer Brüsseler und Straßburger Schonkost immerhin noch eine wohlgenährte Lebensfreude signalisiert, jetzt gottlob noch gerade knapp zur Generation der Klimaüberlebenden zu gehören.
Unter der weiteren Talk-Besetzung brachte Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner zwar eine Peilung politischer Handlungsverantwortung in die Drift der Untergangsstimmung ein. Der päpstliche Professor Schellnhuber indes, dessen warnende Klimaerwärmungsprognose im Verlauf der Sendung in Minutenschnelle von plus 2 über 4 auf 5 Grad hochschnellte, ließ sich seine dramatische Choreographie nicht nehmen. Die Weltbevölkerung müsse sich in der Ernährung umstellen, so sein Axiom. Nur das Wie, an dem rund um die Welt die Lebensmittelforschung und -technologie mit gewaltigen Investitionen arbeitet, blieb von ihm undurchpflügt. So keimte wenig Erkenntnis, aber viel Angst im Talk.
Stattdessen gönnte der Klima-Professor den rund drei Millionen Zuschauern dann als Schlusseffekt noch eine besonders nahegehende Allegorie. Der Bewusstseinsstand unserer Gesellschaft heute, so sein Fazit, gleiche dem eines Verblendeten, der von einem Wolkenkratzer stürze und im Vorbeiflug an der zweiten Etage vor dem Aufschlag bilanziere: „Ist gar nicht so schlimm, bisher ist ja alles gut gegangen.“
Mit diesem von humanem Geist erleuchteten Bild der Potsdamer Kassandra schaltete man sodann flugs zu den Tagesthemen – die leider am Ende allerdings schon wieder mit dem Alptraumausblick auf eine fatalerweise weiterhin heitere Sommerwoche die Zuschauer beglücken mussten.
Im homerischen Narrativ wird Kassandra als Untergangsseherin gezeichnet, die in ihrer Art der lähmenden Panikverbreitung niemals Glauben finden kann. Eine mythologische Weisheit, die wohl auch Protagonisten in TV-Talks von heute mehr bedenken sollten. Im konkreten Fall bedeutet das:
Klimawandel und Welternährung hängen unzweifelhaft eng zusammen. Aber Wissenschaftler, die mehr Angst machen, als Lösungswege aufzuzeigen und zu motivieren, verfehlen die Menschen und ihren gesellschaftlichen Auftrag. Schockbotschaften lähmen.
Und das ist FLOP.
TREND ist:
Aus der millionenfachen persönlichen Motivation für innovative Nachhaltigkeit erwachsen innovative Breitenbewegungen hin zur neuen Zivilisation und Kultur auch industrieller Dimension.
Heinz Klaus Mertes ist Medienunternehmer und -berater und ehemaliger Chefredakteur der „Versicherungswirtschaft“. Davor war er u.a. Programmdirektor von Sat.1 und Fernseh-Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks. Bei Filetspitzen.de schreibt er über aktuelle Tops, Flops und Trends in Medien, Wirtschaft und Gesellschaft.