Von dem Muss und den Chancen internationaler Zusammenarbeit, der Überzeugungsmacht der regionalen und lokalen Zeitungen und publizistischen Ausreißern – Der Presse-Querschnitt der Woche von Heinz Klaus Mertes.
TOP
Global & lokal. Nach der Besinnung zum Erntedankfest am ersten Oktobersonntag, das in Europa eine breit verwurzelte Tradition hat, folgt nun wenige Tage später der Welternährungstag mit globalem Blick, in diesem Jahr besonders auf Afrika gerichtet. Abgesehen von dem aktuellen Thementag der Welternährung setzt sich in der Berichterstattung und Kommentierung offenbar das Wissen dafür durch, dass die Ernährungsindustrie in besonderer Weise international verflochten ist und unter entsprechender Handlungsverantwortung steht. Zahlreiche Headlines nur der vergangenen Woche dokumentieren die außenwirtschaftlichen Komplexitäten ebenso wie die der internationalen Qualitätssicherung und Nachhaltigkeitspolitik. Die Ereignis- und Themenpalette reicht von Handelsfragen etwa im Brexit-Zusammenhang bis hin zu den Verteilungsfortschritten durch Digitalisierung der internationalen Lieferketten. Mag sich indes die globale Beziehungswelt noch so global darstellen, sie mündet immer vor Ort. Und hier ist der Wirkungsgrad der lokalen und regionalen Zeitungen oft eine unterschätzte mediale Größe. Rund 11 Millionen davon werden täglich ins Haus zugestellt und eine halbe Million geht dazu im Verkauf über die Kiosktheke, mehr als 40 Millionen lesen „ihre“ Zeitung. Und vor allem: Sie schreiben dieser besondere Glaubwürdigkeit zu.
Dies zum Beispiel spiegelt sich auch in der begleitenden Berichterstattung über die „Regionalinitiativen zur Nachhaltigkeitsförderung in der Lebensmittelwirtschaft“ wider. Mitte Oktober ging die 2016 gestartete BVE-Veranstaltungsreihe in die 5. Runde. Ganz mit Fokus auf die jeweilige Region wird dabei erörtert, wie insbesondere kleine und mittelständische Lebensmittelhersteller in ihrem Nachhaltigkeitsengagement gefördert werden können. Die Resonanz führte bislang regelmäßig zu weiteren konkreten Impulsen
Global denken, lokal informieren und handeln, das ist TOP.
FLOP
Aktuell daneben. Bestürzend in der Tat sind die Appelle und Dokumentationen nicht nur aus Anlass des Welternährungstages, wie der Hunger in vielen Teilen der Welt kontrastiert mit der Ernährungssituation in den agrarisch und industriell hochentwickelten Ländern der nördlichen Halbkugel. Dass hier nur mit internationaler Zusammenarbeit politisch, wirtschaftlich und sozial Fortschritte zu erzielen sind, spielte sich auch im Medientenor wieder. Sachgerechte Beiträge – die einen appellativ-emotional, andere analytischer – überwogen im insgesamt konzertanten publizistischen Stimmungsbild. Doch gab es – leider wie nicht selten bei Ernährungsthemen – auch negative Ausreißer, die aber auch jede Gelegenheit nutzen, sich mit propagandistischer Eiferei profilieren zu wollen.
Ausgerechnet Handelsblatt Online instrumentalisierte den Welternährungstag für eine aus der amerikanischen Fitness-Publizistik hergenommenen Veröffentlichung unter der Überschrift: „Was alles passiert, wenn wir immer dicker werden.“ Und dann kommen die Kalamitäten im Stakkato – vorgetragen im Stil alttestamentarischer Menschheitsplagen: Kugelrunde Kleinkinder, breitere Särge, Kinositze und Yachten, tragfähigere Omnibusse, voluminösere Büstenhalter und last but not least übergewichtige Haustiere als Mitesser einer aus den Ernährungsfugen geratenen westlichen Welt.
Na gut, jedermann mag das Szenario an die Wand malen, von dem er glaubt, dass es populistische Reichweite in Bestsellerlisten bringt. Aber als Wirtschaftsblatt solche populistischen Knallerbsen – garniert mit den scheinbar unabkömmlichen Schrägheiten gegenüber der Ernährungsindustrie – als „Faktencheck zum Welternährungstag“ zu verkaufen, scheint publizistisch dann doch nicht gerade stilsicher. FLOP.
TREND
Internationales Zusammenwirken in Handel und Wandel ist ein Kennzeichen und ein Muss der Ernährungswirtschaft. Das globale Können findet seine Anerkennung in der konkreten Realisierung und öffentlichen Kommunikation vor Ort.