Warum Milliarden-Subventionen für NGOs eine Büchse der Pandora sein können und welche Folgen das Campaigning für die Wirtschaft hat, fasst Heinz Klaus Mertes diese Woche in seinem Medienreport zusammen.
Die Kolumne von Jan Fleischhauer im Spiegel dieser Woche war eine Art journalistischer Blockbuster. Und auf seine Art wirklich TOP: Auf- und abgeräumt wurden darin exemplarisch die Irrungen, die via Verein Deutsche Umwelthilfe mit seinem einkömmlichen Abmahnungswesen den Straßenverkehr in deutschen Städten mehr und mehr zum Erliegen bringen. Dahinter aber erhebe sich – so Kolumnist Fleischhauer widerständlich – das massive „Wolkenkuckucksheim“ alternativer wenig kompetenter und nicht legitimierter Willensbildung aus einer nebulösen Zivilgesellschaft heraus, die kein Gemeinwohl, sondern irre Widersprüche produziere.
Milliardensegen mit Transparenzdefizit
Die in Satzungen und Programmen postulierte Staats- und Regierungsferne bei diesen vorgeblich nongouvernementalen Gewächsen freilich hört weithin da auf, wo es um finanzielle Förderung aus öffentlichen Kassen in Brüssel, Berlin und Bundesländern geht. Allein aus Brüssel fließen jährlich in dynamisch wachsenden Etats rund 1,5 Milliarden Euro in die Kassen von NGOs, zum Teil für gegenläufige Aktionen zur offiziellen EU-Standortpolitik und zum Schaden des EU-Handelsraums. „Eine Büchse der Pandora“, wie das Nachrichtenportal Euractiv titelte. Die Transparenz von Verteilung und Verwendung dieser Fördergelder sei zu verbessern, räumte sogar die zum NGO-Genre gehörende Einrichtung Lobby Control ein.
Widerstand gegen wirtschaftliche Schädigung als Geschäftszweck
Trotz mancher Vorstöße von deutscher Seite im EU-Parlament schafft bleibende Unruhe, welche Tretminen in diesen Förderungswegen vergraben sind. So machte der unverhoffte Beschluss des CDU-Parteitages Schlagzeilen, die finanzielle staatliche Förderung des den Wirtschafts- und Verkehrsstandort Deutschland gefährdenden Abmahnvereins Deutsche Umwelthilfe einzustellen. Die FAZ kommentierte: „Steuergeld hätte er für diese Gebaren niemals erhalten dürfen. Der CDU-Beschluss ist daher überfällig.“ Nicht nur Fleischhauers Gassenhauer, sondern eine weit ins Land gehende Medienresonanz zeigen, dass im blindökologischen deutschen „Wolkenkuckucksheim“ der Sympathiewind abflaut und die kritischen Fragen an die florierende NGO-Branche nicht nur hinsichtlich Finanzgebaren, sondern ihrer übergriffigen Kompetenz und ihres oft grenzverletzenden, Medieneffekte suchenden außerparlamentarischen Aktionismus zunehmen.
Aber diese Zeichen des Unbehagens bedeuten keineswegs, dass die Betreiber unter dem moralisierbarem Rubrum „Nachhaltigkeit und Umwelt“ ihre expansive Tätigkeit zurücknehmen. Vielmehr suchen sie sich neue industriekritische Aktions- und Geschäftsfelder. „Umwelt-Taliban gegen die Industrie“ ist Überschrift und Tenor eines Handelsblatt-Kommentars vom 12. Dezember (hier mit veränderter Überschrift online) über diese gravierende Entwicklung mit gesamtwirtschaftlichen FLOP-Wirkungen.
Die Ernährungswirtschaft – mehr als ein „Spielball“ medialer Dauerbeschallung
Was heißt das für die dichte NGO-Umzingelung der Ernährungswirtschaft? „Die Macht der NGOs“ ersetze immer mehr die „rechtsstaatliche Lebensmittelkontrolle durch die öffentliche Prangerwirkung“, lautet der juristische Befund von Fachanwalt Dr. Carsten P. Oelrichs, Lehrbeauftragter am Institut für Lebensmittelwissenschaft in Hannover. Und nennt eine „staatlich geförderte Entwicklung besorgniserregend“. Sie drohe die Lebensmittelunternehmer und ihre Produkte „zu einem willkürlichen Spielball des selbsternannten Verbraucherschutzes zu machen“.
Nun scheint die Lebensmittelwirtschaft – vielleicht gerade als Folge der medialen Dauerbeschallung – inzwischen ziemlich trainiert, mit diesem Begleitheer an Kritik, Unterstellungen, Klischees umzugehen, ja sogar nützliche Ansätze heraus zu destillieren und diese markt- wie verbrauchergerecht zu professionalisieren. So erwachsen aus dozierenden und verbietenden dogmatischen Kampagnen durchaus Innovationen, die den Ansprüchen, Erwartungen und Geschmäckern der modernen Ernährungsgesellschaft entgegenkommen.
Das Prinzip Aufklärung
Dies wiederum stärkt die Verbrauchersouveränität der freien Wahl an Richtung und konkreten Produkten, wie eine prominente Trendsetterin heutiger Ernährungsweisen mit großer Reichweite in Publikums- und Fachmedien rund ums Essen und Trinken kundtat. In ihrer Radiokolumne beim Deutschlandfunk nahm die Berliner Gastronomin Sarah Wiener die angemaßte Ernährungspädagogik um die vermeintlichen Unverträglichkeitsspurenelemente in Nahrungsmitteln unter dem Motto „Frei von …“ aufs Korn. Ihr Plädoyer als Ermunterung zur Verbraucherbefreiung geht eher in die Kantsche Richtung der Aufklärung. TREND: Die Emanzipation der Esskonsumenten aus medial verordneter oder zu gläubiger (selbstverschuldeter) Unmündigkeit habe begonnen.
Ob die NGO-Dogmatiker Kant kennen? Vor allem: Ob sie Kant können?
„Die Fakten sind heilig. Die Kommentare sind frei.“
Heinz Klaus Mertes, Träger des Konrad Adenauer-Preises für Publizistik, ist als Medienproduzent, Berater und Autor für Verlage, Sender sowie Unternehmen und Verbände tätig und gehört verschiedenen Branchengremien an. Davor war er u.a. Programmdirektor von Sat.1, Fernseh-Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks und Chefredakteur der „Versicherungswirtschaft“. In seiner Kolumne auf Filetspitzen.de schreibt er über aktuelle Tops, Flops und Trends in Medien, Wirtschaft und Gesellschaft.