Mögen Sie Bienen? Natürlich, wer nicht? Die geflügelten Gelbwesten eignen sich deshalb hervorragend als Kampagnensymbol für Artenvielfalt in Landschaft und Natur. Darum genau geht es bei dem derzeit im Freistaat Bayern laufenden Volksbegehren „Rettet die Bienen“, umpustet von einem medialen Wirbelwind über die freistaatlichen Grenzen hinaus. Ein Schaustück, das deutlich macht, wie reflexhaft unsere Mediengesellschaft auf Ökopopulismus abfährt. Eine Einordnung des Politik- und Wirtschaftsjournalisten Heinz Klaus Mertes.
Kein Widerspruch: Das Thema der Artenvielfalt in Flora und Fauna verdient die Aufmerksamkeit einer Gesellschaft, die wachsende Bevölkerung mit Ballungsraumverdichtungen in Verkehr, Gewerbe und Wohnungsbau auszusteuern hat. Was aber irritiert, ist dieser aktivistische Populismus, der alles emotional versimpelt und zum Beispiel erwachsene Zeitgenossen in geflügelter Biene Maja-Maskerade durch die Citys, Rathäuser, sogar den Landtag und nicht zuletzt durch Redaktionen und TV-Studios hoppeln lässt, was sich dann wiederum in einer regelrechten Serienberichterstattung von zig überregionalen und regionalen Medien spiegelt. Ein Kettenkarussell der Mobilisierung, aber ein FLOP sachbezogener Entscheidungshilfen für die Bürger.
Mediale Monokultur statt „Artenvielfalt“
So erweist sich die begleitende mediale Fauna dieses Befragungsbündnisses als eine zwar ausgesprochen bienenfleißige, aber auch recht eintönig summende Monokultur der Information. Und weithin so verkürzend, wie es populistische Stimmungswogen nun einmal an sich haben! Insofern verdient das aktuelle Politszenario namens Volksbegehren – in Bayern institutioneller Teil der allgemeinen Gesetzgebung – eine kritische Betrachtung des Medienkonzerts bei solcherart Willensbildung generell. Immerhin geht es ja um sehr volksnahe Richtungsentscheidungen, wie wir leben werden und wollen – also TOP-Generationenfragen, die bekanntlich sogar Schulstreiks provozieren können. Gerade auch die Lebensmittelwirtschaft geht das vital an. Denn es kann nun einmal nicht verzehrt werden, was zuvor nicht in nachhaltiger Balance angebaut und produziert wurde.
Rückenwind für Aktionsbündnisse, Gegenwind für die Gestalter
Um medialen Rückenwind müssen sich solche gut promoteten Aktionsallianzen nicht sorgen. Unter dem weißblauen Medienhimmel läuft eine multimediale Berichtswoge von den überregionalen Dachmedien bis zu deren Regional- und Lokalausgaben, die von Anfang keinen Zweifel an dem zu erreichenden Stimmenquorum von rund einer Million Unterschriften aufkommen ließ. Oder besser, solche Zweifel erst gar nicht gestattete.
Das bekamen und bekommen besonders vehement diejenigen zu spüren, die qua fachlicher und amtlicher Kompetenz genauer hinschauen, was sich inhaltlich hinter der gefälligen Immen-Überschrift an stachelhaften Befunden, Perspektiven und Postulaten verbirgt. Die Stoßrichtung betrifft in weiten Teilen vor allem die bäuerliche Landwirtschaft und ihre Anbauweisen. So gibt es unterhalb der gefälligen Sloganschicht beträchtliche Steinbrocken des Klärungsbedarfs zu durchpflügen. Erbitterte Gefühle, überfahren zu werden, machen sich bei denen breit, die hier nachhaltig Existenz, Engagement, Fachkunde und Leistung zu beweisen haben.
Erst jetzt, zur Mitte der Referendumslaufzeit, scheinen differenzierende Fakten, Zusammenhänge und auch Zielkonflikte etwas mehr Gehör zu bekommen. Immerhin die bayerische Landwirtschaftsministerin herself hat in Bild und Wort bekundet, warum für sie eine Unterschrift unter diese Volksaktion wegen solcher Einseitigkeit nicht in Frage kommt.
Eine Stimmungs- und Stimmenwende wird sich indes wohl kaum durchsetzen. Bezeichnend ein Leserbrief von Hunderten in der SZ: „Ich habe unterschrieben, bewusst ohne mich detailgenau mit den Inhalten zu befassen. Es geht doch nicht darum Details zu zerpflücken.“
Mediale Qualitätssicherung wird zur Zukunftsfrage
Unter den plebiszitären und medial befeuerten Briefings wird dann schließlich die Politik sehen müssen, welche Spielräume ihr in der Gestaltungsverantwortung Richtung Gemeinwohl noch bleiben. Dabei geht es nicht nur um die Landwirtschaft. Die ganze Ernährungszivilisation etwa und nicht nur die (z..B. Automobilität) steht fortwährend unter einer Art plebiszitärem Druck, der weithin populistisch und aktivistisch bedient wird. Leider nur vereinzelte publizistische Stimmen widmen sich aufklärend im Für und Wider diesem kritischen, auch demokratierelevanten Phänomen.
Wer sich also vielleicht fragen mag, ob das derzeitige weißblaue Geschehen eine so extensive Befassung hier als FILETSPITZEN-Kommentar verdient, dem ist entgegenzuhalten: Das mehrwöchige Kampagnen-Schauspiel in Bayern, darauf kann man wetten, wird bald die ganze bundesdeutsche Schwarmintelligenz der Ökowelt anspringen lassen. Die außerparlamentarische vierte Gewalt kennt keine Grenzen, schon gar nicht föderale.
Der TREND muss deshalb gerade bei Bürgerbeteiligungen dahin gehen: Information, Orientierung, Aufklärung statt Emotion als Medienauftrag! Diese Formel wird mehr und mehr zum Drehmoment politisch-demokratisch regulierter Qualitätssicherung. Eine Zukunftsfrage für Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen.
„Die Fakten sind heilig. Die Kommentare sind frei.“
Heinz Klaus Mertes ist als Medienproduzent, Berater und Autor für Verlage, Sender sowie Unternehmen und Verbände tätig und gehört verschiedenen Branchengremien an. Davor war er u.a. Programmdirektor von Sat.1, Fernseh-Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks und Chefredakteur der „Versicherungswirtschaft“. In seiner Kolumne auf Filetspitzen.de schreibt er über aktuelle Tops, Flops und Trends in Medien, Wirtschaft und Gesellschaft. Mertes ist Träger des Konrad Adenauer-Preises für Publizistik.